Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Steinhagen/Dortmund. Wenige Monate vor Beginn des 150. Jahres seit Bestehen der Neuapostolischen Kirche beschäftigte sich ein Gruppe von Fachleuten und interessierten Laien mit der Entstehungs- und der Entwicklungsgeschichte der katholisch-apostolischen Bewegung von etwa 1830 bis heute. Das "Netzwerk Apostolische Geschichte e.V." mit Sitz in Steinhagen-Brockhagen hatte dazu im Rahmen seines fünften Jahrestreffens zu einem zweitägigen Workshop am 13. und 14. Oktober 2012 eingeladen.
Die Veranstaltung passte zeitlich gut in die Vorbereitung des Jubiläumsjahres 2013, das die Neuapostolische Kirche Nordrhein-Westfalen mit ihren NAK NRW-Tagen am Fronleichnamswochenende 2013 vom 30. Mai bis 2. Juni in Dortmund würdigen will.
Theologen und Historiker als Referenten
Gut 50 Teilnehmer hatten sich zu dieser Tagung in der sogenannten Studienkirche des Netzwerks Apostolische Geschichte (NAG) in der Nähe von Bielefeld versammelt. Die meisten Teilnehmer waren Mitglieder verschiedener apostolischer Konfessionen. Die gesamte apostolische Konfessionsgruppe hat ihre Wurzeln in der katholisch-apostolischen Bewegung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts.
Das NAG konnte für diese Tagung einige Theologen und Historiker gewinnen, die aus verschiedenen Perspektiven Einblicke in die komplexen Zusammenhänge der frühen Kirchengeschichte der katholisch-apostolischen Gemeinde gaben.
Zur Entstehung der katholisch-apostolischen Bewegung
Sebastian Müller-Bahr, zweiter Vorsitzender des NAG, führte mit einer Übersichtspräsentation zur Entstehung der katholisch-apostolischen Gemeinde in die Thematik ein. In seinem Referat deutete er die gesellschaftspolitische Situation des beginnenden 19. Jahrhunderts kurz nach der Epoche prägenden französischen Revolution an.
Die in dieser Phase in Europa aufkeimende Erweckungsbewegung hatte auch das Entstehen der sich im südenglischen Albury zusammengefundenen Gruppe zur Folge, aus der sich später die katholisch-apostolische Gemeinde entwickelte.
Verschiedene Geschichtsdarstellungen im Vergleich
Die evangelische Theologin Angelika Nemec (Heidelberg) warf mit ihrem Vortrag die Frage auf: "Worin besteht die Gefahr für die heutige historische Arbeit, wenn sie sich ausschließlich auf katholisch-apostolische Quellen stützt?"
Ein Vergleich verschiedener katholisch-apostolischer Geschichtsdarstellungen miteinander und eine Betrachtung der katholisch-apostolischen Geschichtstheologie im Kontext erweckungstheologischer Konzepte führten zu herausfordernden Fragen an die Geschichtsinterpretation der katholisch-apostolischen Gemeinden und der späteren apostolischen Gemeinschaften.
Ihr Vortrag gab Thesen wieder aus ihrer Dissertation zum Thema „Geschichtsdarstellung und Geschichtstheologie der katholisch-apostolischen Gemeinden des 19. Jahrhunderts“.
Neue Quellen entdeckt
Hirte Manfred Henke (Lübeck), Geschichtspädagoge und Mitglied der neuapostolischen Arbeitsgruppe „Geschichte der Neuapostolischen Kirche" setzte die Vortragsreihe der Tagung fort. Das Thema seines Referates: "Katholisch-apostolisches Kirchenverständnis im Wandel der Zeit". Wegen der Fülle von Fakten zu diesem Thema beschränkte er sich auf die Zeit von 1832-1877.
Im Mittelpunkt des Vortrags stand die Auswertung der Bibel des katholisch-apostolischen Apostels John Bate Cardale (1802-1877). Im Rahmen neuerer Quellenforschung in England war Henke diese bisher der Forschung nicht zugängliche Quelle in die Hände gefallen. Die reich mit handschriftlichen Kommentaren Cardales versehene Bibel vermittele einen starken Eindruck der frühen katholisch-apostolischen Theologie und Auslegungspraxis, so der Historiker.
Manfred Henke konnte anhand der Kommentare sowie Streichungen und Ergänzungen von Kommentaren einen Umbruch im Hinblick auf das Kirchenverständnis der katholisch-apostolischen Bewegung feststellen. Etwa 1858 habe sich danach der Charakter der katholisch-apostolischen Lehre grundlegend verändert von einer massiven Bewegung in die Christenheit hinein zu einer separierten Gruppe in Erwartung einer neuen Erweckung.
Tauf- und Kirchenverständnis im Wandel
Der letzte Beitrag des Tages beschäftigte sich mit der Entwicklung von Lehrpositionen zu Tauf- und Kirchenverständnis in katholisch-apostolischen Gemeinden und in der Neuapostolischen Kirche. Der neuapostolische Theologe Peter Münch (Heidelberg) gab hier einen schematischen Überblick.
Interessant erschien der Eindruck, dass ein recht offenes Tauf- und Kirchenverständnis zu Beginn der katholisch-apostolischen Bewegung sich im Laufe der Geschichte mehr und mehr verengte bis hin zu einer recht exklusiven Sicht. Mit ihren aktuellen Lehrveränderungen öffnet sich die Neuapostolische Kirche ab dem Jahr 2006 hingegen wieder zu einem erweiterten Kirchenverständnis. "Mittlerweile versteht sich die Neuapostolische Kirche wieder als eine Kirche innerhalb der christlichen Gemeinschaft." war das Fazit Münchs.
Das Hamburger Schisma 1863
Der zweite Tagungstag begann mit Besuchen von Gottesdiensten apostolischer Gemeinschaften im Bielefelder Raum. Am Nachmittag begrüßte Mathias Eberle als Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Dr. Albrecht Schröter zu seinem Vortrag. Der promovierte evangelische Theologe gilt mit seiner Dissertation aus dem Jahr 1990 über die katholisch-apostolischen Gemeinden in Deutschland und die Rolle des Propheten Geyer als Mitbegründer einer regen Forschungstätigkeit über die Geschichte der katholisch-apostolischen Bewegung.
Er gab in seinen Ausführungen einen umfassenden Überblick über die Sicht der katholisch-apostolischen Gemeinden auf die Neuapostolische Kirche. Dabei erläuterte er die Grundhaltung der katholisch-apostolischen Gemeinden zur Hamburger Kirchentrennung 1863 anhand einer Zusammenfassung traditioneller katholisch-apostolischer Lehraussagen des 19. Jahrhunderts.
Entwicklung der Neuapostolischen Kirche
Auf Grund von Meinungsverschiedenheiten über einzelne Auslegungen der Heiligen Schrift und die Berufung neuer Apostel innerhalb der katholisch-apostolischen Gemeinden kam es 1863 zum Hamburger Schisma, aus dem die damals so bezeichnete Allgemeine christlich apostolische Mission (AcaM) entstand. Daraus ist die Neuapostolische Kirche hervorgegangen.
Die Tagung endete mit einer Diskussion über die von Albrecht Schröter vorgetragenen Positionen im Vergleich zu den Forschungsergebnissen, die am ersten Veranstaltungsstag von Manfred Henke vorgestellt wurden.
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