
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Dortmund. Ein alliierter Bombenangriff auf Dortmund in der Nacht auf den 5. Mai forderte 1943 mehrere hundert Tote, unter ihnen Hermann Dietrich Magney, der damalige Bezirksapostel von Nordrhein-Westfalen. In dieser Nacht wurde auch die damalige Zentralkirche in Dortmund zerstört. Bis 1948 wurde sie wiederaufgebaut.
Im Mai 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde Dortmund das Ziel zweier Großangriffe aus der Luft. Die Stadt wurde von den Alliierten neben Essen als eine der „Rüstungsschmieden“ im Ruhrgebiet eingeschätzt und war daher ein wichtiges Ziel, um der deutschen Kriegswirtschaft zu schaden.
Luftschutzkeller boten wenig Schutz
Der 4. Mai 1943 war der erste warme Frühlingstag im vierten Kriegsjahr. Die Dortmunder genossen die Sonne, zumal die zahlreichen deutschen Flugzeuge am Himmel Sicherheit vor feindlichen Angriffen versprachen.
In diesem Gefühl begab sich die Stadt auch zur Nachtruhe. Doch mitten in der Nacht holten Motorengeräusche und Sirenengeheul die Menschen aus ihren Betten in die Luftschutzkeller. Die Innenstadt war inzwischen durch Leuchtbomben in grünes Licht getaucht („Christbäume“ genannt), eine Zielmarkierung für die nachfolgenden Bomber.
In dieser Nacht warfen 596 viermotorige Bomber Luftminen und Brandbomben über Dortmund ab. Den Druckwellen der Minen waren die Menschen in den Luftschutzkellern teils schutzlos ausgesetzt. 690 Menschen starben in dieser Nacht.
Zentralkirche in Dortmund zerstört
Auch die Neuapostolische Kirche mit angrenzendem Wohnhaus in der Braunschweiger Straße lag im Zielgebiet des Angriffs. Die Bewohner des Hauses schafften es noch in den Keller, doch dieser überstand einen Volltreffer nicht.
Unter den Trümmern starben neben Bezirksapostel Hermann Dietrich Magney sein Sohn Hermann Magney (der Vater des späteren Apostels Hermann Magney) sowie weitere vier Kirchenmitglieder, unter anderem der Dortmunder Bezirksälteste Arthur Kraft sowie der Hausmeister der Kirche.
Am nächsten Morgen versammelten sich viele neuapostolische Christen traurig vor den Trümmern. Schnell war klar und der Entschluss gefasst: Wir bauen die Kirche neu auf. Am 12. September 1948 konnte dann der damalige Apostel Walter Schmidt die ausschließlich durch Eigeninitiative der neuapostolischen Gläubigen wieder aufgebaute Kirche einweihen.
„So gab der Herr Freude nach Trauer, Heilung nach Schmerz, Leben nach Sterben und Tröstung ins Herz“, schreibt Apostel Hermann Magney 40 Jahre später in seinen Erinnerungen.
Bezirksapostel Magney
Hermann Dietrich Magney wurde als zweites von fünf Kindern in eine evangelische Familie geboren. Mit 14 Jahren hatte er ersten Kontakt zur Neuapostolischen Kirche und wurde mit 16 Jahren von Apostel Friedrich Wilhelm Menkhoff versiegelt. Er lernte das Schuhmacherhandwerk und gründete in Hörde bei Dortmund eine Schuhmacherwerkstatt.
Als Apostel arbeitete er ab 1923 im Bezirk Bielefeld unter Stammapostel Hermann Niehaus. Er war für Westfalen zuständig, während Paul Dach das Rheinland betreute. Mit dem Ruhestand von Stammapostel Niehaus folgte die Ordination Magneys zum Bezirksapostel für Westfalen.
1930 zog Bezirksapostel Magney in Dortmund in die Braunschweiger Straße, wo 13 Jahre später das Wohngebäude sowie die neue große Kirche beim Bombenangriff zerstört wurden.
Stammapostel Bischoff, der wegen der Kriegswirren nicht selbst nach Dortmund reisen konnte, beauftragte Bezirksapostel Kuhlen, die Trauerfeier durchzuführen und sich des verwaisten Bezirks anzunehmen. Am 13. Mai 1943 fand die Beisetzung des Bezirksapostels und der übrigen fünf zu Tode gekommenen Kirchenmitglieder statt. In der Folge übernahm Bezirksevangelist Walter Schmidt aus Iserlohn – der spätere Stammapostel – die Leitung des Bereichs Westfalen.
Weitere Luftangriffe auf Dortmund
Vom 23. auf den 24. Mai 1943 folgte schon der nächste Luftangriff auf Dortmund: 826 Bomber warfen über 2.000 Tonnen Bomben in einer Nacht ab. Die örtlichen Stahlwerke stellten daraufhin ihre Produktion ein. Sechs weitere Luftangriffe folgten bis März 1945.
Am Ende lag der Stadtkern von Dortmund zu 95 Prozent in Schutt und Asche. Bei den Bombenangriffen kamen etwa 6.000 Zivilisten und Zwangsarbeiter ums Leben. Bis heute werden immer noch regelmäßig Blindgänger in Dortmund gefunden und entschärft - in der "Jubiläumsnacht" auf den 5. Mai 2023 beispielsweise eine 250 Kilogramm-Bombe in der Innenstadt. 900 Menschen mussten dazu für einige Stunden evakuiert werden, bis kurz nach Mitternacht Entwarnung gegeben werden konnte.
Zentralkirche Dortmund-Nord
Die große Zentralkirche in der Braunschweiger Straße wurde 1970/1971 grundlegend saniert und umgebaut. Das aus den Trümmern erbaute Gebäude wies inzwischen Zerfallserscheinungen auf. Im Rahmen der Umbaumaßnahmen blieben lediglich die Grundmauern des Kirchenschiffs mit den Seitenemporen stehen. Die Kirche erhielt unter anderem weitere Nebensäle im Obergeschoss, ein Spitzdach sowie eine neue Fassade.
1984 zog die Verwaltung der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen von der Braunschweiger Straße, wo sie vom Wiederaufbau der Kirche 1948 an beheimatet war, in größere Räumlichkeiten an den heutigen Standort am Westfalendamm im Süden der Stadt. In den Folgejahren fanden regelmäßig Zentralgottesdienste in der großen Kirche Dortmund-Nord statt.
Entwidmung der Kirche 2008
Am 9. November 2008 hielt Apostel Wilhelm Hoyer den letzten Gottesdienst in der Traditionsgemeinde. Mit 1.765 Sitzplätzen, davon 1.400 im Kirchenschiff, war die Kirche inzwischen zu groß für die örtliche Gemeinde. Als 1930 das erste Kirchengebäude eingeweiht wurde, lag die Kirche noch mitten in einem Wohngebiet, in dem die Familien der Bergwerksarbeiter lebten. Doch das Umfeld hatte sich im Laufe der Zeit verändert, Familien waren ins Umland gezogen.
2015 wurde das Kirchengebäude verkauft. Zuvor hatten Demonstranten das Gebäude besetzt, um auf Leerstand in der Dortmunder Nordstadt aufmerksam zu machen. Auf dem Gelände steht inzwischen eine Kindertageseinrichtung. Das Hauptgebäude diente nach einem Umbau durch die Stadt Dortmund zeitweise als Unterkunft für Geflüchtete.
Ein Volltreffer hatte die Kirche und das Nachbarhaus zerstört
5. Mai 2023
Text:
Alfred Krempf,
Frank Schuldt
Fotos:
Bildarchiv,
Frank Schuldt
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