
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Dortmund. "Die Entscheidung für diese Kapitalanlage war aus heutiger Sicht ein Fehler, das tut mir aufrichtig leid", sagt Bezirksapostel Armin Brinkmann im Gespräch. Der Kirchenpräsident der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen beantwortet im Interview Fragen zum Kapitalanlagebetrug.
Die Neuapostolische Kirche Nordrhein-Westfalen ist einem Kapitalanlagebetrug zum Opfer gefallen. Darüber hatte Bezirksapostel Armin Brinkmann vor einigen Tagen die Mitglieder via Rundschreiben und Internetveröffentlichung informiert. Auch einige Medien griffen das Thema auf.
Im Interview spricht Bezirksapostel Brinkmann über Hintergründe, berichtet von den Konsequenzen, die die Kirchenleitung aus dem Vorfall gezogen hat, und erklärt, warum die Kirche sehr sorgfältig mit den ihr anvertrauten Mitteln umgeht.
Bezirksapostel Brinkmann, Sie haben vor einer Woche veröffentlicht, dass die Neuapostolische Kirche zehn Millionen Euro aus einer Vermögensanlage verloren hat. Im Internet liest man von „spekulativen Geschäften“. Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Die Neuapostolische Kirche verwaltet ihre Mittel seriös und sicher. Der Landesvorstand, die Verantwortlichen der Kirchenverwaltung und ich sind uns der hohen Verantwortung bewusst, die wir gegenüber unseren Glaubensgeschwistern hinsichtlich des Kirchenvermögens haben. Daher wird seit Jahrzehnten ein Teil der finanziellen Mittel der Kirche angelegt. Denn wir sind als Kirchenleitung in der Pflicht, das uns anvertraute kirchliche Vermögen mindestens zu erhalten.
Dabei gilt für uns: Sicherheit geht vor Ertrag. Wir legen die Mittel nur im risikoarmen und nicht spekulativen Bereich an. Und haben damit in den letzten Jahrzehnten gute Erfahrungen gemacht. Auch im aktuellen Fall war ich fest davon überzeugt, dass die Vermögensanlage sicher ist.
Wie fühlen Sie sich damit – gerade mit anvertrauten Geldern – Opfer einer Gruppe von Betrügern geworden zu sein?
Wie jeder, der Opfer eines Betruges wurde: schlecht. Meinen Ärger und meine Enttäuschung wird, denke ich, jeder nachvollziehen können. Der Vorfall hat mir viele schlaflose Nächte bereitet. Und ich verstehe alle meine Glaubensgeschwister, die angesichts dieser Nachricht geschockt reagiert haben. Ich war es auch.
Wie haben Sie sich von der Kapitalanlage überzeugen lassen?
Die Anlage war deswegen für mich besonders attraktiv, weil sie nicht nur die üblichen Kapitalmarkterträge erwarten ließ, sondern gleichzeitig auch soziale Projekte unterstützte. Sie wurde mir von einem externen, fachlich-versierten Berater empfohlen, der sich mit dieser Form der Kapitalanlage seit Jahren beschäftigt und mein volles Vertrauen genossen hat.
Haben Sie den falschen Leuten vertraut?
Ich habe die Vorgänge in der Rückschau immer wieder selbstkritisch infrage gestellt. Als mir die Finanzanlage 2007 angeboten wurde, galt meine häufigste Frage der Sicherheit. Auch wenn es heute vielleicht anders aussehen mag: Man hat mir damals ein glaubwürdiges und schlüssiges Konzept vorgelegt.
Vergessen darf man auch nicht, dass wir nicht die einzigen Opfer sind. Auf die Masche der Betrügerbande sind ja nicht nur wir als Kirche hereingefallen. Die beiden anderen Geschädigten, die derzeit vor Gericht in Großbritannien aussagen, sind erfahrene Geschäftsleute. Und auch sie haben sich täuschen lassen.
Wir werden in Zukunft alles nur erdenklich Notwendige tun, damit sich so ein Vorfall nicht wiederholt.
Woher stammten die Mittel für die Anlage?
Der größte Teil des Kirchenvermögens wird in Spezialfonds verwaltet, die gemeinsam mit anderen europäischen Gebietskirchen aufgelegt sind. Die Gebietskirchen haben darüber hinaus die Möglichkeit, eigene Anlagen vorzunehmen, über die der jeweilige Gebietskirchenpräsident mit seinen Finanzfachleuten entscheidet.
Bei der Vermögensverwaltung haben wir in den letzten Jahrzehnten sehr gute Ergebnisse erzielen können. Die Erträge aus den Anlagen wurden teilweise erneut angelegt – wie auch in diesem Fall. Der Betrug ist der erste Ausfall einer Kapitalanlage in der Vermögensverwaltung in der Geschichte unserer Kirche.
Und wer hat die Entscheidung letztendlich vorbereitet und endgültig gefällt?
Ich habe mich nach der Empfehlung mehrmals mit unserem Finanzfachmann der Kirchenverwaltung beraten und dann entschieden. Der Landesvorstand war nicht eingeschaltet, weil Anlageentscheidungen in unserer Gebietskirche seit jeher Angelegenheit des zuständigen Kirchenpräsidenten und der Finanzabteilung waren.
Zum damaligen Zeitpunkt war ich fest davon überzeugt, eine für die Kirche gute und richtige Entscheidung getroffen zu haben. Dafür übernehme ich die Verantwortung.
Wann erfuhr der Landesvorstand davon?
Den Landesvorstand habe ich 2008 über erste Schwierigkeiten mit der Kapitalanlage informiert. Es folgten weitere Informationen zur aktuellen Entwicklung, denn parallel wurden viele Gespräche über die Rückzahlung der Mittel mit den damaligen Geschäftspartnern geführt, die jetzt in Großbritannien vor Gericht stehen.
2010 fand eine außerordentliche Sitzung des Landesvorstands statt, in der wir die Sachlage ausgiebig beraten haben. Ein Ergebnis war, dass die Kirche alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um das eingesetzte Kapital zurückzuerhalten. Auch die Landesversammlung wurde bereits vor einigen Jahren über die Wertberichtigung in der Bilanz auf Basis des jeweiligen Sachstands informiert.
Sehen Sie einen Anlass für personelle Konsequenzen?
Nein. Personelle Konsequenzen sehe ich nicht – zumal niemand in der Kirchenleitung oder Verwaltung durch die Anlage persönliche Vorteile gehabt hat. Unabhängig davon hat die Kirchenleitung den Vorfall zum Anlass genommen, die Abläufe auch rechtlich in jeder Hinsicht aufzuarbeiten.
Es war in den letzten Jahren mein intensives Bemühen, die eingesetzten Mittel zurückzuerhalten. Die Entscheidung für diese Kapitalanlage war aus heutiger Sicht ein Fehler, das tut mir aufrichtig leid.
Auf welche Weise bekommen Sie ihre Informationen über das laufende Gerichtsverfahren?
Wir stehen in engem Kontakt mit den deutschen und englischen Behörden und haben vor Ort jemanden, der den Prozess beobachtet.
Warum gehen Sie jetzt an die Öffentlichkeit?
Wir hatten durch die Gespräche lange die Hoffnung, die volle Summe oder einen Großteil zurückzuerhalten. Nachdem wir Strafanzeige erstattet hatten, war es wichtig, die Ermittlungen in Deutschland und England, die verdeckt geführt wurden, nicht zu behindern.
Ende Dezember letzten Jahres ist dann das letzte Mitglied der Gruppe in Deutschland festgenommen und mittlerweile nach England ausgeliefert worden. Deshalb haben wir bewusst bis zum Prozessbeginn mit einer Veröffentlichung gewartet. Zudem habe ich alle Amtsträger in Nordrhein-Westfalen per Rundschreiben informiert.
Welche Auswirkungen hat es für die Kirche, wenn es bei einem Verlust von zehn Millionen Euro bleibt.
Zehn Millionen Euro sind eine sehr hohe Summe und zweifellos für die langfristige Zukunftssicherung wichtig. Kurzfristige Einsparungen, beispielsweise bei Kirchenrenovierungen oder An- und Umbauten, sind nicht notwendig und die kirchliche Tätigkeit ist nicht beeinträchtigt.
Dennoch werden wir im Landesvorstand darüber beraten, wie dieser Verlust langfristig kompensiert werden kann. Zunächst einmal müssen wir allerdings abwarten, was das Gerichtsverfahren ergibt.
Es könnte jetzt der Eindruck entstehen, die Kirche sei reich und nicht auf Spenden angewiesen. Warum muss die Kirche mit ihrem Vermögen grundsätzlich arbeiten?
Wir sind verpflichtet, das uns anvertraute kirchliche Vermögen mindestens zu erhalten. Als Kirche stehen wir in der Zukunft vor erheblichen Herausforderungen durch kleiner werdende Gemeinden und daraus resultierenden geringeren Einnahmen. Die Mittel aus der Vermögensverwaltung dienen also dazu, die kirchliche Arbeit heute und in Zukunft sicherzustellen. Ohne diese zusätzlichen Erträge könnten wir unsere heutigen Ausgaben nicht decken.
Zudem sind die Gebietskirchen weltweit finanziell unterschiedlich ausgestattet, sodass Zinserträge über die Opfer- und Spendeneinnahmen hinaus in Zukunft sicherlich eine größere Rolle spielen werden. Unabhängig davon decken allein die Mittel aus der Vermögensverwaltung nicht den jährlichen finanziellen Bedarf der Kirche. Das Opfer ist nach wie vor unverzichtbare Grundlage für die kirchliche Tätigkeit.
Wie hat die Gebietskirche Nordrhein-Westfalen derzeit ihr Finanzvermögen angelegt? Wie hoch ist der Anteil spekulativer Investments?
Es gibt keinerlei spekulative Investitionen. Mehr als 80 Prozent des Kirchenvermögens sind in festverzinslichen Wertpapieren, Immobilien und Bankguthaben angelegt, 13 Prozent in Aktien und 6 Prozent in Gold. Die Finanzanlagen werden fast vollständig durch beauftragte Fondsmanager verwaltet.
Können die Mitglieder der Neuapostolischen Kirche weiterhin sicher sein, dass die Kirche ihre Opfergelder nach besten Wissen und Gewissen verwaltet?
Ja, diese Sicherheit gewährleisten wir. Als Konsequenz aus dem Anlagebetrug haben wir in den letzten Jahren interne Maßnahmen ergriffen, damit sich solch ein Vorfall nicht wiederholt: So wurde die Richtlinie für Vermögensverwaltung verschärft. Sie enthält spezifische Vorschriften über zulässige Anlageklassen, Bandbreite pro Klasse, Mindestratings und ethischen Prinzipien.
Zudem haben wir ein Anlagegremium gegründet. Es besteht aus fachlich geeigneten Mitgliedern des Landesvorstands, Anlagebeauftragten der Kirchenverwaltung sowie externen Fachleuten. Seine Aufgabe ist es, den Landesvorstand der Gebietskirche bei strategischen Entscheidungen zu beraten und die Vermögensverwaltung sowie die Risikostrategie zu überwachen. Zudem müssen Anlageformen, die nicht spezifisch in der Richtlinie aufgeführt sind, vom Anlagegremium im Einzelfall genehmigt werden.
Die neuapostolischen Christen in Nordrhein-Westfalen können also sicher sein, dass wir mit dem Kirchenvermögen im Bewusstsein der Opfertreue sehr sorgfältig umgehen. Unsere konservative Anlagestrategie hat sich in den letzten Jahrzehnten bewährt. Alle Entscheidungen – auch über kirchliche Ausgaben – werden im Landesvorstand diskutiert und beschlossen. Gemeinsam mit den Aposteln und Bischöfen werde ich weiterhin meine ganze Zeit und Energie zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen.
Bezirksapostel, herzlichen Dank für das Gespräch.
Bezirksapostel Armin Brinkmann im Gespräch
21. Februar 2012
Text:
Neuapostolische Kirche,
Frank Schuldt
Fotos:
Frank Schuldt
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