
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Dortmund. Bezirksapostel Rainer Storck leitet seit Februar 2014 die Neuapostolische Kirche Nordrhein-Westfalen als Kirchenpräsident. Zum Amtsantritt stellte er vor Mitgliedern der Kirche und geladenen Gästen aus Politik und Gesellschaft sein Programm vor. Im Gespräch berichtet er, was davon bereits umgesetzt werden konnte und wie er die Herausforderungen der Zukunft angehen möchte.
Kommen wir zum Thema „Finanzen“. Sie haben in Ihrem Programm auch die Bedeutung eines ausgeglichenen Haushalts betont. Wurde dieses Ziel 2014 erreicht?
Nach jetzigem Stand der Dinge: Ja. Und wir streben das auch für 2015 an.
Haben wir ein Einnahmen- oder ein Ausgabenproblem?
Beide Bereiche würde ich nicht als Problemfelder bezeichnen. Auf die Einnahmen haben wir bedingt Einfluss: Opferbereitschaft, Dienstbereitschaft hängen sicherlich auch von einem Wohlbefinden und einer Identifikation mit seiner Kirche zusammen. Dort besteht also schon ein bedingter Einfluss. Die Ausgaben haben wir eindeutig in der Hand. Es stehen so viele Mittel zu Verfügung wie wir brauchen, sie müssen nur zielgerichtet und funktional eingesetzt werden.
Das Zeitopfer einerseits, das finanzielle Opfer andererseits sind die Bausteine des Engagements in unserer Kirche. Wieso ist es manchmal so schwierig, offen darüber zu sprechen, dass eine Kirche auch finanzielle Mittel benötigt?
Ich sehe das nicht als schwierig an. Schon allein vor dem Hintergrund der christlichen Nächstenliebe darf es nicht so sein, so hat es Stammapostel Schneider im Pfingstgottesdienst 2014 anlässlich des Internationalen Kirchentags ausgedrückt, dass ein Christ allein Konsument ist. Wir nehmen von der Kirche, die Kirche bietet viele Dinge an, und von daher braucht die Kirche finanzielle Mittel. Es kann dann nur zu verständlich sein, dass diese eben über die Mitglieder auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Wenn dann doch einmal das Thema „Opfer“ thematisiert wird, gibt es hier und da einen kleinen Aufschrei. Woran liegt das? In anderen Kirchen gibt es Kirchensteuern, darüber wird auch nicht laufend gesprochen.
Das Thema „Opfer“ und „Einnahmen“ steht in einem Spannungsfeld. Jedem Gläubigen ist, denke ich, klar, dass alles von Gott kommt: seine Existenz, sein Lebensraum, in dem er sich bewegen darf. Die Grundlage all dessen ist Gott. Von daher steckt in einem jeden Gläubigen das Grundbedürfnis, Gott zu danken und ihm dafür zu opfern. Das leuchtet ein.
Die andere Seite ist, dass wir es tun, indem wir jemand anderem – hier der Kirche – Mittel zu Verfügung stellen und irgendwo das Gefühl da sein könnte: Wie werden jetzt diese Mittel verwendet? Man kommt selbst nicht in den Genuss dessen, was man gegeben hat, sondern vielleicht die Nachbargemeinde, weil dort ein Anbau umgesetzt wurde. In diesem Spannungsfeld befinden wir uns. Von daher wird das Thema als sensibel empfunden.
Etwa ein Drittel der jährlichen Einnahmen geht an die Internationale Kirche und unsere betreuten Gemeinden im Ausland. Dem einen oder anderen wäre es lieber, das Geld würde in das eigene Kirchengebäude investiert. Ist Solidarität „out“?
Nein, auf keinen Fall. Uns sind seit vielen Jahrzehnten Gebietskirchen in aller Welt anvertraut. Wir haben auch in guten Zeiten dort investiert, und niemand hat darüber gesprochen. Es ist jetzt wichtig, auch in Zeiten knapperer Einnahmen zu diesen Gebietskirchen zu stehen, zumal sie mehr und mehr in die Eigenfinanzierung kommen und vielleicht sogar einmal eine Selbstständigkeit möglich ist. Ich sehe keine andere Alternative und werbe um Verständnis und Vertrauen.
Im Rahmen der Diskussion um die Finanzierung der beiden Großkirchen durch Kirchensteuern wird hier und da die Frage gestellt, ob Kirchen überhaupt Rücklagen brauchen. Die Neuapostolische Kirche hat gewisse Rücklagen und Sie wollen diese beibehalten. Was ist das Argument dafür?
Die Rücklagenbeibehaltung ist nicht vorgesehen, um die Kirche reich zu machen und noch besser dazustehen, sondern wegen der Zukunftsperspektiven. Wir werden voraussichtlich irgendwann an den Punkt kommen, wo wir diese Rücklagen brauchen und nicht mehr von den laufenden Einnahmen leben können, zumindest eine gewisse Zeit nicht. Von daher ist es wichtig, an dem Prinzip, nicht mehr auszugeben als einzunehmen, festzuhalten und in Zeiten, wo es noch möglich ist, Rücklagen zu bilden.
Sind Kirchensteuern eine Alternative eventuell auch für unsere Kirche?
Das glaube ich nicht. Wir haben uns vor vielen Jahren schon für den Weg entschieden, auf Kirchensteuern zu verzichten, und das wird auch weltweit beibehalten. Es ist der erklärte Wille der Bezirksapostelversammlung, das in der Freiwilligkeit zu belassen.
Ein weiteres Thema: Vielfach entsteht der Eindruck, unsere Kirche habe in Europa die Mission aufgegeben. Fehlt uns eine Vision oder die Motivation?
Insgesamt befinden wir uns in Deutschland und Europa in einem enormen gesellschaftlichen Wandel. Der christliche Hintergrund bei den Menschen ist nicht mehr so gegeben wie vor dreißig oder vierzig Jahren. Allein deshalb wird es schon schwierig, Menschen anzusprechen und sie in die Gottesdienste einzuladen, weil sie die Grundlagen nicht kennen und darin vielfach auch keinen Sinn sehen. Zum anderen ist es so, dass die Menschen früher nicht so viele Angebote hatten, ihre Freizeit zu gestalten. Es gab eigentlich nur wenige Dinge. Dort konnte sich Kirche besser positionieren als heute.
Die Kirche ist heute ein Angebot unter sehr vielen anderen. Nichtsdestotrotz arbeiten wir daran, den Menschen das Evangelium Jesu Christi nahezubringen, ihnen in ihren Verhältnissen zu helfen und auch über das Natürliche und das irdische Dasein hinauszusehen.
Wir gehen heute nicht mehr von Tür zu Tür, um zu den Gottesdiensten einzuladen – wie es vor dreißig Jahren noch üblich war. Allerdings scheint es so, als hätte die Kirche dafür auch kein Alternativkonzept entwickelt. Wie können wir es schaffen, dass unsere Mitglieder wieder etwas aktiver werden?
Ich möchte davon absehen, generell für die gesamte Gebietskirche große Konzepte zu entwickeln. Hier sehe ich passend zum Thema Eigenverantwortung eine Aufgabe der Gemeinden. Nur dort können die konkreten Konzepte entwickelt werden, wie man mit den Mitmenschen, mit dem Nachbarn in Kontakt kommt und sie zu entsprechenden Aktionen und den Gottesdiensten einlädt. Das kann die Kirchenleitung für die Fläche nicht leisten. Sicherlich wird es auch künftig gebietskirchenweite Projekte und Aktionen geben. Diese würde ich in diesem Zusammenhang als flankierend bezeichnen.
Schauen wir auf die Kirche in Deutschland. Unser Stammapostel ist Franzose. Bezirksapostel Wilfried Klingler aus Mitteldeutschland bekommt keinen Nachfolger, sein Bereich wird mit Norddeutschland zusammengelegt. Weitere Fusionen im deutschsprachigen Raum sind anzunehmen. Wie werden heute schon Weichen für die Zukunft gestellt, und wo sehen Sie die Gebietskirche Nordrhein-Westfalen in Zukunft?
Hier ist sicherlich nicht die richtige Stelle, um über Zusammenlegungen von Gebietskirchen zu sprechen, wiewohl das – dafür habe ich vollstes Verständnis – von allgemeinem Interesse ist. Ich will dazu so viel sagen, dass diese Punkte intensiv im Kreis der europäischen Bezirksapostel mit dem Stammapostel besprochen und diskutiert werden. Wo und ob weitere Möglichkeiten der Kooperation bestehen ist ein Prozess, der noch im Fluss ist, der noch dauern wird.
Inwiefern ist die Neuapostolische Kirche noch Deutsch oder bei ihren geschichtlichen Wurzeln, wenn achtzig Prozent der Mitglieder in Afrika leben?
Ich wehre mich gegen die Bezeichnung „die Neuapostolische Kirche ist Deutsch“, ich finde sie nicht gut. Selbstverständlich ist es so, dass hier einmal das Zentrum des neuapostolischen Lebens war. Von Deutschland ist im Grunde die ganze Entwicklung unserer Kirche ausgegangen. Aber ich halte es hier mit dem Wort von Stammapostel Hans Urwyler, dass das Evangelium, unser Glaubensziel, das Kirchenverständnis überall gleich ist und so angenommen und gelebt wird, aber eben in unterschiedlichen Strukturen und Kulturen. Das haben wir gelernt, und damit können wir ausgezeichnet leben.
Dritter Punkt in Ihrem Programm, welches Sie vorgestellt haben, ist der Bereich „Ökumene“. Mit dem Erscheinen des Katechismus hat die Neuapostolische Kirche ihr Engagement im interkonfessionellen Bereich verstärkt. In Nordrhein-Westfalen ist die Kirche inzwischen Mitglied in vier lokalen Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen. Welche Bedeutung hat Ökumene für Sie?
Zunächst einmal möchte ich den Begriff „Ökumene“ so, wie ich ihn verstehe, erklären: Ökumene bedeutet nicht „gleich machen“, das Gleiche denken und gleich handeln, sondern Ökumene bedeutet, innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaften das Gemeinsame herauszuarbeiten. Davon gibt es sehr viel, und daran sollten wir festhalten. Es wird aber immer so sein, das sehen die Landeskirchen so, das sieht auch unsere Kirche so: Wir haben unser Profil, das die Bibel, das der Katechismus beschreibt. Und das Profil unserer Kirche wird bleiben. Das hindert uns aber nicht daran, Gemeinsamkeiten mit anderen christlichen Kirchen zu pflegen.
Wo sehen Sie die Vorteile des Dialogs mit anderen christlichen Kirchen?
Ganz einfach: Voneinander zu lernen.
Wie sieht die Entwicklung im Bereich von gemischt-konfessionellen Segenshandlungen bei Paaren aus?
Wir haben heute viele gemischt-konfessionelle Paare, Trauungen, Taufen und auch Versiegelungen, wo ein Ehepartner neuapostolisch ist, ein anderer einer anderen Konfession angehört. Wichtig ist, dass der nicht-neuapostolische Partner hinter der Entscheidung des neuapostolischen Partners steht, dass das Kind beispielsweise in der Neuapostolischen Kirche getauft und versiegelt wird.
Letzter Teil: der Ausblick. Welche Projekte stehen in Nordrhein-Westfalen für 2015 an?
Zum einen werden wir in 2015 wieder zu Erntedank den Gemeinden anbieten, entsprechende Aktionen auf lokaler Ebene zu starten. Ansonsten haben wir uns im Kreis der Apostel und Bischöfe vorgenommen, keine größeren Aktionen neben dem Jugendtag 2015 durchzuführen und den Gemeinden Zeit zu geben, sich um Seelsorge und Gemeindebelange zu kümmern.
Worauf freuen Sie sich in den nächsten Monaten besonders – Besuche unseres Stammapostels ausgenommen?
Ich freue mich auf das Wiedersehen mit meinen Brüdern und Schwestern in den betreuten Gebieten, ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Stammapostel und den Bezirksaposteln weltweit, und ich freue mich auf eine jede persönliche Begegnung anlässlich der Gottesdienste, die ich in den Gemeinden halten darf. Ich habe aus den Gemeinden in den ersten Monaten meiner Amtstätigkeit viel Zuspruch und Unterstützung erfahren. Dafür bin ich sehr dankbar.
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