
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Dortmund. Seit Februar 2014 leitet Bezirksapostel Rainer Storck die Neuapostolische Kirche Nordrhein-Westfalen. Zu seinem Verantwortungsbereich zählen nicht nur die Gemeinden im Bundesland, sondern weitere 19 Gebietskirchen in der ganzen Welt. Im Gespräch berichtet er von den Erfahrungen des ersten Jahres und was er von seinem Programm umsetzen konnte.
Bezirksapostel Storck, Sie sind jetzt mehr als ein Jahr im neuen Amtsauftrag tätig. Hat sich in dieser Zeit für Sie persönlich etwas verändert?
Es hat sich viel verändert: Ich bin in diesem einen Jahr auf vielen interkontinentalen Reisen unterwegs gewesen und habe die von uns betreuten Gebiete kennengelernt. Die vielen Begegnungen bringen vielfältige neue Erfahrungen mit sich. Auch die internationalen Bezirksapostelversammlungen und die Mitarbeit in der Koordinationsgruppe der Neuapostolischen Kirche International sind sehr positive Herausforderungen. Dadurch hat sich natürlich das Arbeitspensum erhöht. Umso intensiver erlebe ich die seltenen Momente, wo es möglich ist, mal einen Tag mit meinen Kindern und Enkelkindern zu verbringen. Bis auf eine Tochter, die derzeit in Oslo studiert, war am Osterwochenende die ganze Familie bei uns zusammen.
Eine nicht so angenehme Veränderung für mich ist, dass ich aufgrund der vielfältigen Aufgaben bedauerlicherweise weniger Zeit für persönliche Kontakte zu den Glaubensgeschwistern habe, die ich viele Jahre lang in Gemeinde und Bezirk seelsorgerisch begleitet habe.
Sie sind Bezirksapostel Brinkmann im Amt nachgefolgt. Besteht weiterhin Kontakt oder Austausch mit ihm?
Selbstverständlich. Es ist bedauerlicherweise so, dass wir nicht mehr so oft zusammen unterwegs sind, wie das noch vor einiger Zeit möglich war. Aber die Kontakte sind regelmäßig, freundschaftlich und brüderlich. Mir tut es immer gut, wenn wir die Zeit haben, ein paar Minuten miteinander zu sprechen.
Seit Ende letzten Jahres arbeiten Sie in der Koordinationsgruppe, KG genannt, der Neuapostolischen Kirche International und verantworten den Bereich Gemeindeführung. Was sind dort Themen, die obenauf liegen?
Ein aktuelles Thema ist die Fortbildung in unserer Kirche, insbesondere für unsere Amtsträger. Damit ist die Arbeitsgruppe „Unterweisung für Amtsträger“ betraut, die ich als Referent betreue. Das zweite wichtige Thema ist die Erstellung von Lehrmaterialien für alle Unterrichtsgruppen in der Kirche, sprich Vorsonntagsschule, Sonntagsschule, Religions- und Konfirmandenunterricht. Auch diese Aufgabe ist sehr anspruchsvoll. Eine besondere Herausforderung bei diesen beiden großen Projekten ist, dass es hier gilt, international zu denken.
In den letzten Monaten haben Sie als Bezirksapostel die betreuten Gebietskirchen im Ausland besucht. Haben Sie dort etwas Besonderes erlebt?
Besondere Momente waren es, als für mich nach kurzer Zeit deutlich wurde, dass in dem größten uns anvertrauten Gebiet Angola ein sehr fähiger Seelsorger heranreift, der als Bezirksapostelhelfer dienen kann und mir zur Seite steht und der Moment, als der Stammapostel ihn dann letztlich beauftragt hat. Das hat in mir große Freude und Dankbarkeit ausgelöst.
Einmal sind Sie auf einem kleinen Motorboot zu einem Gottesdienst in ein Dorf auf der Insel Príncipe gefahren, das von der Landseite nur schlecht erreichbar ist. Wie erlebt man in solch einem Dorf die Gläubigen, wenn man als Bezirksapostel dort hinkommt?
In der Regel werden die Geschwister von den Priestern, von dem Vorsteher, auch schon mal vom Bezirksältesten seelsorgerisch betreut. Wenn dann einmal der Bezirksapostel aus Europa kommt, ist das ein einmaliges Ereignis. Dementsprechend war der Empfang: Pure Freude auf beiden Seiten.
Was verändert sich für einen selbst, wenn man sieht, wie die neuapostolischen Christen in den Ländern in Afrika ihren Glauben leben?
Man kann Deutschland beziehungsweise Europa nicht mit Afrika vergleichen, aber es wird schon deutlich, dass die Geschwister in Afrika – obwohl sie in sehr bescheidenen und armen Verhältnissen leben – zufrieden, dankbar, freudig und zuversichtlich sind.
Kommen wir zu dem Programm, welches Sie zu Beginn Ihrer Amtszeit vorgestellt haben. Als ersten Punkt haben Sie die Arbeit in der Gemeinde vor Ort genannt. „Kirche findet in den Gemeinden statt“, war Ihr Schlagwort. Inwiefern beeinflusst das Ihre Arbeit als Leiter einer großen Gebietskirche?
Für mich ist deutlich, dass die Gemeinde als solches der zentrale Punkt des neuapostolischen christlichen Lebens ist. Wir wollen alles dafür tun und die Rahmenbedingungen bereitstellen, damit sich dieses freudige Leben auch mit einer Eigendynamik entwickeln kann. Im Kreis der Apostel und Bischöfe denken wir deshalb intensiv darüber nach, wie zum einen noch mehr Verantwortung in die Gemeinden übertragen werden kann. Zum anderen wollen wir Möglichkeiten schaffen, dass sich noch mehr Brüder und Schwestern in die Gemeindearbeit einbringen können.
Mehr Verantwortung, bedeutet das mehr Arbeit für die Gemeinden?
Das muss jede Gemeinde für sich entscheiden. Es geht bei mehr Verantwortung nicht darum, dass originäre Verwaltungsaufgaben an die Gemeinden delegiert werden, sondern dass noch ein größerer Rahmen geschaffen wird, in dem die Gemeinden ihr Leben selbst gestalten und entwickeln können.
Gibt es konkrete Planungen in der Richtung?
Wir haben vor etlichen Jahren den Bezirken eigene Budgets bereitgestellt, sodass auch hier in einem gewissen Rahmen, finanziell etwas getan werden kann. Mit „Verantwortung der Gemeinden“ meine ich auch Verantwortung innerhalb der Gemeinden. Klassisch ist es ja so, dass der Vorsteher und die Amtsträger für die Führung der Gemeinde zuständig sind. Das wird und soll sicherlich so bleiben. Allerdings sehe ich noch viel mehr Potenzial im Kreis der Geschwister, sich einzubringen. Deswegen haben wir auch schon vor einigen Jahren die Möglichkeit geschaffen, dass ein Gemeindegremium gebildet werden kann, um dort die Mitarbeit der Gemeindemitglieder zu fördern.
Immer wieder ist in den Gemeinden auch der Wunsch nach mehr Mitbestimmung hörbar. Ist das gewünscht?
Mitbestimmung sicherlich in organisatorischen Dingen. Da versuchen wir seitens der Verwaltung die Bedürfnisse und Wünsche der Gemeinde aufzunehmen und zu berücksichtigen.
Wie nah kann ein Bezirksapostel eigentlich noch an einer Gemeinde dran sein?
Zum einen ist es mir ein Anliegen, mich nach einem Gottesdienst persönlich zu verabschieden. Es kann dann nicht immer lang miteinander gesprochen werden, aber ich möchte die Hand geben, kurz in die Augen der Gottesdienstbesucher schauen und alles Gute wünschen. Damit versuche ich schon, ein wenig Nähe zu vermitteln, und das ist mir wichtig.
Zum anderen ist da die Korrespondenz. Es ist schon so, dass sich Geschwister auch direkt an mich wenden, nicht nur in ihren Sorgen, sondern auch mit ihren Wahrnehmungen und Bemerkungen, und ich bemühe mich sehr, auf die Belange einzugehen und den Geschwistern entsprechend zu antworten. Oft verweise ich dann an die zuständigen Vorsteher, Bezirksämter, Bischöfe und Apostel, weil viele Dinge nur im lokalen Bereich geregelt werden können. Aber so bekomme ich mit, was meine Glaubensgeschwister in den Gemeinden bewegt.
Wie oft sind Sie in Ihrer Heimatgemeinde Rheinberg?
Das letzte Mal war ich dort zum letzten Gottesdienst von Bezirksapostel Brinkmann, das war der 19. Februar 2014. Seither gab es keine Gelegenheit zu einem Gottesdienstbesuch in meiner Heimatgemeinde. Aber meine Frau hält den Kontakt.
Jeder soll seinen Platz in der Gemeinde haben, wo er so angenommen wird, wie er ist. Das war eine weitere Aussage von Ihnen. Wo sehen Sie hier noch Potenzial?
Es gibt durchaus unterschiedliche Vorstellungen, mit denen unsere Glaubensbrüder und -schwestern in die Gemeinden kommen. Da gibt es verschiedene Erwartungen an den Chor, an die Predigt, an den Einsatz von Seelsorgern, an die Gestaltung von Unterrichten. Ich denke, diese unterschiedlichen Vorstellungen kann man zusammenführen zu einem konstruktiven Miteinander. Sicherlich muss das alles in einem gewissen Rahmen stattfinden: im Rahmen des Evangeliums und in dem Rahmen, den die Kirche vorgibt. Aber hier sehe ich durchaus noch Verbesserungspotenzial in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Konstellationen, Meinungen und Charaktere.
Sehnen Sie sich manchmal nach Zeiten zurück, wo sie als Unterdiakon oder Priester ganz konkret in der Gemeinde tätig waren?
Die Zeit geht weiter. Ich habe mich immer den Aufgaben gestellt, die mir anvertraut worden sind. Aber in der Tat ist es so – ich komme noch einmal zurück auf die Frage nach dem persönlichen Kontakt zu den Geschwistern: In der Zeit als Unterdiakon, als Priester, auch als Vorsteher hatte man einen sehr persönlichen, freundschaftlichen Kontakt zu den Brüdern und Schwestern. Das ist eine tolle Zeit gewesen. Wir waren gemeinsam unterwegs, und ich bin dankbar, wenn ich darauf zurückschaue.
Zweiter Kernpunkt Ihres Programms waren die sogenannten Herausforderungen der Zukunft. Wie gehen Sie diese an?
Bei diesen Herausforderungen gibt es verschiedene Aufgabenfelder. Das eine ist, dass wir uns ganz objektiv damit auseinandersetzen müssen, dass der Gottesdienstbesuch abnimmt. Dies ist zum einen dem demografischen Wandel geschuldet, dem auch die Gesellschaft hier in Deutschland und Europa unterliegt, zum anderen haben wir aber auch eine sogenannte innere Migration, dass insbesondere jüngere Geschwister – Jugendliche, junge Familien – nicht mehr so häufig und regelmäßig die Gottesdienste besuchen. Das hat verschiedenste Gründe, die es weiter zu analysieren gilt. Es ist eine große Herausforderung, auch im Rahmen des Evangeliums und unserer kirchlichen Möglichkeiten, diesen Geschwistern, allen Mitgliedern der Gemeinden, ein attraktives Glaubenszuhause anzubieten.
Der zweite Punkt sind die Finanzen. Hier gilt es, Strategien zu entwickeln, mit den finanziellen Mitteln auszukommen, die uns zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet Einschnitte im personellen Bereich in der Zukunft, das bedeutet, funktionale Kirchengebäude, die den Bedürfnissen der Gemeinde entsprechen, das bedeutet bei Zusammenlegungen in Zukunft genau zu überlegen: In welche Kirche gehen wir?
Der dritte Hauptpunkt, den ich sehe, ist, mehr und mehr auch unsere betreuten Gebiete finanziell unabhängig zu machen, indem sie den Grad ihrer Eigenfinanzierung erhöhen.
Wie gehen Sie das strategisch an?
Wir haben seit einiger Zeit eine Projektgruppe „Kirchenstrategie“, die sich aus ehrenamtlichen Amtsträgern, Mitgliedern des Landesvorstands und der Verwaltung zusammensetzt. Diese Kirchenstrategie beschäftigt sich mit dem Gottesdienstbesuch, mit den finanziellen Mitteln, mit den betreuten Gebietskirchen, mit der Verwaltung, mit den Einnahmen der Kirche, sprich Opferentwicklung. Wir nennen diese Pläne „Kirchenstrategie 2030“, damit wir schon alles darauf aufbauen, wie es 2030 aussehen könnte und gut weitergehen kann.
Ist geplant, dazu etwas Konkretes zu veröffentlichen?
Wir haben im letzten Jahr mit der Arbeit begonnen und stellen fest, dass diese sehr komplex und vielschichtig ist. Wir sind da noch auf dem Weg und brauchen noch Zeit. Sobald wir verwertbare Ergebnisse haben – ich könnte mir vorstellen im Laufe des nächsten Jahres entsprechend zu informieren.
In den letzten Jahren wurden viele Gemeindestandorte aufgegeben, die Gemeinden zusammengelegt. Die Neuapostolische Kirche ist immer auch eine Flächenkirche gewesen. Geben wir das auf?
Auf keinen Fall. Wir müssen hier ganz eindeutig zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Gebieten unterscheiden. In Ballungsgebieten wie zum Beispiel Dortmund, Düsseldorf, Köln, Bielefeld ist sicherlich ein viel größeres Zusammenlegungspotenzial als in ländlichen Gebieten. In diesen Ballungsgebieten haben die Kirchengebäude einen Abstand von mitunter drei bis sieben Kilometer. Dort kann man den Gläubigen eine Fusion mit der entsprechenden Begründung grundsätzlich zumuten.
Anders sieht es in den ländlichen Gebieten aus, wo bis zur nächsten Kirchengemeinde dreißig, vierzig und mehr Kilometer gefahren werden müssen. Allerdings müssen wir auch darauf achten, dass wir auf Dauer für beispielsweise 15 Gottesdienstteilnehmer kein Kirchengebäude mit 100 Plätzen vorhalten können. Angesichts von hohen Unterhaltskosten und eventuell notwendigen Renovierungen gilt es, darüber nachzudenken, irgendwann gegebenenfalls externe Räumlichkeiten anzumieten.
Durch die Gemeinde-Zusammenlegungen ist „Bau“ immer noch ein großes Thema in der Gebietskirche. Das sieht man auch an den Summen, die die Kirche in diesen Bereich investiert. Liegt deshalb weiterhin ein großer Fokus bei Ihnen auf dem Bau-Bereich?
Ja, das Thema „Bau“ bleibt aktuell. Hier wird die Kirche auch in Zukunft hohe Summen investieren müssen. Das betrifft vor allem die Instandsetzung der Gebäude. Angesichts der zurückgehenden Mitgliederzahlen werden wir auch in den kommenden Jahren Gemeinden zusammenlegen. Deshalb gilt es bei heutigen Investitionsentscheidungen sehr genau zu überlegen, welche Kirchengebäude wir langfristig nutzen. Daraus müssen wir heute die richtigen Schlüsse ziehen.
Sehr emotional haben Sie im Zentralgottesdienst in Gummersbach von den Gläubigen in Guinea-Bissau berichtet, die vielfach kein eigenes Kirchengebäude besitzen. Dies hat nicht nur Verständnis ausgelöst. Wie haben Sie die Reaktionen empfunden?
Ich habe sehr bewusst diesen drastischen Vergleich gewählt: Allerdings nicht um zu zeigen, dass hier in Nordrhein-Westfalen nicht mehr investiert wird oder nichts gemacht wird. Es ging mir einfach darum, für Verständnis zu werben, dass nicht überall und gleichermaßen alle Wünsche erfüllt werden können und dass man das Große und Ganze als Kirchenpräsident und als Kirchenleitung im Blick haben muss.
Sind wir in Deutschland vielleicht ein wenig verwöhnt?
Aus der Sicht der Kirche weltweit auf jeden Fall.
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