
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Dortmund. Heute vor 40 Jahren verstarb Stammapostel Walter Schmidt im Alter von 89 Jahren. Mit ruhiger Hand hatte er fast 15 Jahre das Schiff "Neuapostolische Kirche" sicher durch viele Klippen und Stürme gesteuert. Erinnerung an einen Hüter, Wächter und Mahner.
Als Walter Schmidt nach dem plötzlichen und unerwarteten Tod von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff im Juli 1960 das schwere Erbe als Stammapostel antrat, gab er die Losung heraus „Wir schweigen!“ „Dieser Gedanke entsprang seinem Streben, Hüter, Wächter und Mahner für die anvertrauten Geschwister zu sein“, analysiert Alfred Krempf, Leiter des Zentralarchivs der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen.
Schon in der Krisenzeit der 50er-Jahre war diese Eigenschaft deutlich hervorgetreten, als es aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zur Trennung von der Apostolischen Gemeinschaft kam. Umso mehr benötigt Walter Schmidt diese Gaben als Stammapostel in bewegter Zeit.
Wo seine Wiege stand
Walter Schmidt wurde am 21. Dezember 1891 in Neuemühle, Kreis Altena, im Sauerland geboren. Seine Eltern waren der Fabrikant Ferdinand Schmidt und seine Frau Julie (geborene Hüttebräucker). Auf einer Geschäftsreise nach Italien erkrankte der Vater schwer und verstarb nach seiner Heimkehr in jungen Jahren. Als Zweijähriger stand Walter Schmidt mit seiner Mutter und vier Geschwistern auf dem Friedhof in Meinerzhagen am Grab des Vaters – ohne wohl zu ahnen, was der frühe Tod für die Familie bedeutete.
Reichtümer besaß die junge Familie ohnehin nicht. Und so musste die Mutter hart für den Lebensunterhalt der Familie kämpfen. Sie nahm eine Putzstelle an der kleinen Dorfschule in Neuemühle an und fand in der Mansarde des Schulgebäudes eine Unterkunft für sich und ihre Kinder. Durch Mithilfe im Schulgarten konnte sie den Speiseplan ein wenig durch Gemüse und Obst anreichern.
Um diese Zeit gab es in der näheren Umgebung nur eine neuapostolische Gemeinde in Lüdenscheid. Gemeindemitglied Karl Engelbach hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Kunde von der Wirksamkeit der Apostel überall ins Ebbegebirge hinzutragen. So klopfte er im Jahre 1897 auch bei Familie Schmidt an und fand hier gläubige Zuhörer. Ohne zu zögern nahm die Familie den zweistündigen Fußmarsch zur Gottesdienststätte in Lüdenscheid auf sich. Ein Jahr später wurde die Familie neuapostolisch.
Lüdenscheid – die Heimatgemeinde
Als die Mutter mit ihren fünf Kindern im Jahre 1898 neuapostolisch geworden war, verlor sie ihre Arbeitsstelle und musste die Dienstwohnung kurzfristig räumen. Bei verschiedenen Gemeindemitgliedern in Lüdenscheid fand die Familie vorübergehend Unterschlupf. Nach einiger Zeit fanden sie eine Wohnung in der Reckensteinstraße in unmittelbarer Nähe der Versammlungsstätte und konnten nun wieder als Familie zusammen wohnen.
In der Gemeinde Lüdenscheid wurde die Witwe Schmidt mit ihren Kindern mit viel Liebe und Herzenswärme aufgenommen. Oft sprach Walter Schmidt noch im hohen Alter mit Hochachtung von seinem Sonntagsschullehrer, mit dem die Kinder oft das Lied „Lasst die Herzen immer fröhlich“ gesungen hatten. Der 15. April 1906 war ein besonderer Tag in Walter Schmidts Leben: Er legte sein Konfirmationsgelübde ab. Der in den Lüdenscheider Altar eingravierte Spruch „Betet ohne Unterlass“ wurde zur Leitlinie seines Lebens.
In Lüdenscheid empfing Walter Schmidt auch seine ersten Amtsaufträge und wirkte als Unterdiakon, Hilfspriester und Priester. 1940 wurde er zum Bezirksevangelisten für den Bezirk Iserlohn ausgesondert; 1944 empfing er das Amt eines Bezirksältesten für den Bezirk Dortmund. In Lüdenscheid lernte er auch Luise Piepenstock, die Tochter des Vorstehers kennen und lieben. Am 20. Mai 1919 empfing das junge Paar den Segen Gottes zu ihrem Ehebund. Aus ihrer Ehe ging eine Tochter hervor.
Vom Lehrling zum Geschäftsinhaber
Wie einigen Schulheften und seinen Zeugnissen zu entnehmen ist, war Walter Schmidt ein guter und eifriger Schüler. Aufgrund der finanziellen Lage der Familie konnte er aber keine höhere Schule besuchen, sondern kam nach acht Jahren Volksschule in eine kaufmännische Lehre. Als kaufmännischer Angestellter wechselte er in die Firma D.W. Schulte in Plettenberg. Um seine beruflichen Kenntnisse zu erweitern, besuchte er eine weiterführende Handelsschule, die er mit großem Erfolg abschloss. Der Schuldirektor zeichnete ihn für seine Leistung mit einem Handelslexikon mit persönlicher Widmung aus, das heute seinen Platz im Zentralarchiv der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen gefunden hat. Schon mit 25 Jahren erhielt Walter Schmidt Gesamtprokura für die Firma.
Später kaufte er sich als Gesellschafter in die Eisenwarenfabrik Carl Krampe Wwe. in Rummenohl ein und bezog auch mit Frau und Tochter eine geräumige Wohnung im Haus Roland, direkt gegenüber dem Werk.
Apostel in der Krisenzeit
Im Jahre 1946 wurde Walter Schmidt zum Apostel und zwei Jahre später zum Bezirksapostel für Westfalen ausgesondert. Als in den 50er-Jahren die Auseinandersetzungen um die Botschaft des Stammapostels Bischoff begannen, stand er unerschütterlich zum Stammapostel. Das Stammapostelamt war für ihn unantastbar wie auch sein Träger.
Als Bezirksapostel Kuhlen Anfang 1955 aus der Neuapostolischen Kirche ausgeschlossen wurde, übernahm Walter Schmidt auch den Apostelbezirk Rheinland und führte ihn mit Westfalen zum Apostelbezirk Nordrhein-Westfalen zusammen. Bereits zuvor hatte ihn Stammapostel Bischoff mit der Betreuung der niederländischen Geschwister und Gemeinden beauftragt, bei denen die Botschaft Mittelpunkt ihres Glaubens war.
Der Fels im Zeitenmeer
Am 6. Juli 1960 starb Stammapostel Bischoff unerwartet. In einer eilig einberufenen Apostelversammlung wurde Walter Schmidt bereits am nächsten Tag von den anwesenden Aposteln einstimmig zum neuen Stammapostel gewählt. Wegen eines Formfehlers wurde die Wahl kurze Zeit wiederholt, brachte aber wieder ein einstimmiges Ergebnis.
Am 11. Juli 1960 hielt Stammapostel Schmidt die Trauerfeier für seinen Amtsvorgänger, die er unter das Wort aus Matthäus 16,18 stellte: „Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Er würdigte Stammapostel Bischoff unter anderem mit den Worten: „Sein Leben kann nur vom Standpunkt der Ewigkeit richtig bewertet und beurteilt werden.“
Westfalendamm 88
Dank seiner Weitsicht hatte Bezirksapostel Schmidt sich schon seit Mitte der 50er-Jahre darum bemüht, ein repräsentatives Gebäude für die Kirchenverwaltung in Dortmund zu finden. Nun konnte der Kaufvertrag für das historisch gewordene Gebäude am Westfalendamm 88 abgeschlossen werden, was nun aber nicht die Verwaltung des Apostelbezirks Nordrhein-Westfalen aufnahm, sondern Sitz der internationalen Kirchenleitung wurde. Hirte Rudolf Wachtel, ein enger Mitarbeiter des Stammapostels Bischoff, zog nach Dortmund und unterstützte den neuen Stammapostel zusammen mit Priester Heinz Schneider und Hannelore Günther in der internationalen Kirchenleitung. Später kam noch Bischof Friedrich Wömpner hinzu.
Ab Januar 1961 wechselte die Zentrale der Neuapostolischen Kirche offiziell von Frankfurt am Main nach Dortmund. Bereits im Juli 1960 wurde in Rummenohl ein Büro eingerichtet. Im November des Jahres zog Stammapostel Schmidt mit seiner Familie nach Dortmund in das Haus am Westfalendamm 88. 1969 wurde das Haus umgebaut, das Arbeitszimmer des Stammapostels und der Sitzungssaal erweitert. In diesem versammelten sich die Apostel unter Vorsitz des Stammapostels zu regelmäßigen Konferenzen.
Während der Amtszeit von Stammapostel Schmidt erhöhte sich die Mitgliederzahl der Neuapostolischen Kirche von 500.000 im Jahr 1960 auf knapp eine Million im Jahr 1975. Gleichzeitig wuchs die Internationalität der Kirche: 1960 war sie in 60 Ländern vertreten, 1975 bereits in 120. Ein wichtiger Impuls für die Weinbergsarbeit resultierte aus seinem Aufruf „Nehmt euch der Gastarbeiter an!“ Staunenswert sind die kleinen Hefte, in denen Stammapostel Schmidt akribisch Jahr um Jahr alle Gottesdienste vermerkte, die er gehalten hat. Tagebücher hat er dagegen nie geführt.
Der Autor
Schon bald setzte Walter Schmidt eigene Akzente im Verlagswesen. Die von ihm bereits als Bezirksapostel initiierte Schaffung einer speziellen Kinderzeitschrift „Der gute Hirte“ war nur ein Anfang. Deutlich zeigte sich seine Handschrift in der Gestaltung der Zeitschrift „Unsere Familie“. Die bisher üblichen Reiseberichte über Stammapostelbesuche in den Bezirken wurden abgelöst durch reine Gottesdienstberichte und die mehr „weltlichen“ Rubriken wurden mehr und mehr zurückgedrängt. In den „kleinen“ Zeitschriften schrieb er die Leitartikel fast ausnahmslos selbst. Kein Stammapostel hat so viele Berichte für die Kirchenzeitschriften verfasst wie er.
Nicht nur über die neuapostolischen Medien sondern auch mittels Rundschreiben wandte sich Stammapostel Schmidt immer wieder an die Gläubigen in aller Welt. Erwähnenswert sind die Rundschreiben mit Traumerlebnissen und ähnlichen Zeugnissen, die er am Sonntag vor jedem Entschlafenengottesdienst in den Gemeinden verlesen ließ.
Neuapostolischer Religionsunterricht
Dabei darf nicht übersehen werden, dass Walter Schmidt offen durchs Leben ging. Davon zeugte nicht nur seine umfangreiche Hausbibliothek, sondern auch sein Interesse am Tagesgeschehen und der Politik. So war die regelmäßige Lektüre der Tageszeitung für ihn genauso selbstverständlich, wie ein Blick in die „Welt am Sonntag“ wenn am Sonntagnachmittag wieder mit dem Zug nach Hause fuhr. Intensiv beobachtete er auch die Entwicklung des schulischen Religionsunterrichtes. Dies führte schließlich dazu, dass er einen eigenen neuapostolischen Religionsunterricht für neuapostolische Kinder einführte.
Seine Gottesdienste hatten immer Tiefgang, und die von ihm zum Jahresbeginn ausgerufenen sogenannten „Neujahrsworte“ waren so einprägsam, dass auch die Kinder sie behalten konnten.
Eingeschränkte Reisetätigkeit
Da Stammapostel Schmidt bis Ostern 1968 auch Bezirksapostel von Nordrhein-Westfalen blieb, erstreckte sich ein großer Teil seiner Reisen auf den eigenen Bezirk. Diese Fahrten legte er üblich mit dem PKW zurück. Außerhalb von NRW unternahm er die meisten Reisen mit der Eisenbahn, später die weiteren Reisen auch mit dem Flugzeug.
Seine sprichwörtliche Bescheidenheit zeigte sich darin, dass er jeweils sein eigenes Butterbrot dabei hatte und sich nur eine Tasse Kaffee im Speisewagen gönnte. Aufgrund der politischen Situation in den 60er-Jahren reiste er nicht in die Bezirke in der damaligen DDR, weil er befürchtete, seine Besuche könnten politisch ausgenutzt werden.
Viermal in Übersee
Viermal reiste er in seiner aktiven Zeit nach Übersee: 1963, 1967 und 1974 nach Nordamerika und 1965 nach Afrika. Diese Reisen waren für ihn jeweils mit großen körperlichen Anstrengungen verbunden. Schließlich war er bei der Übernahme des Stammapostelamtes schon 69 Jahre alt.
Aus aller Welt kamen die Apostel in den Jahren nach Dortmund. 1968 fand die erste große Apostelversammlung am neuen Sitz der Kirche statt. Zu dieser waren alle Apostel der Welt eingeladen. 43 Apostel nahmen teil, davon 18 aus Übersee. Zwei weitere internationale Apostelversammlungen wurden 1971 und 1974 jeweils in Dortmund durchgeführt. Stammapostel Schmidt nutzte alle Begegnungen mit den Aposteln zu einem regen Gedankenaustausch und konnte so ein tiefes Vertrauensverhältnis zu ihnen aufbauen und ein wirkliches Einssein im Apostelkreis begründen. Um die Einheit im Apostolat noch mehr zu fördern, sandte er häufiger Apostel aus Europa nach Afrika, Australien sowie Nord- und Südamerika.
Der Weg in den Ruhestand
Die Reise nach Nordamerika im November 1974 hatten die Kräfte des 83-jährigen Stammapostels aufgezehrt. Bei einem Ämtergottesdienst am Buß- und Bettag 1974 im Apostelbezirk Mainz erlitt er bei der Predigt einen Schwächeanfall und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Da mit einer Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen war, trat er zum 15. Februar 1975 in den Ruhestand und bestimmte Bezirksapostel Ernst Streckeisen (Schweiz) zu seinem Nachfolger. In einer Andacht am Westfalendamm 88 sonderte er Ernst Streckeisen in Gegenwart etlicher Apostel zum Stammapostel aus.
Walter Schmidt blieb auch im Ruhestand im Haus Westfalendamm 88 wohnen, während der Sitz der Neuapostolischen Kirche International nach Zürich verlegt wurde. Am 20. Mai 1979 spendete Stammapostel Hans Urwyler dem im Ruhestand lebenden Stammapostel und seiner Gattin Luise den Segen zur diamantenen Hochzeit.
Letzte Ruhe in Lüdenscheid
Anfang des Jahres 1981 verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Stammapostel i. R. Walter Schmidt zusehends. Am 28. Februar 1981 zog er im Alter von 89 Jahren friedlich in die jenseitige Welt. Als Stammapostel Urwyler, der zum Entschlafenengottesdienst in Berlin-Ost weilte, die Trauerbotschaft erhielt, schlug er betend die Heilige Schrift auf und las aus Johannes 11,25: "Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe."
Dieses Wort verwendete der Stammapostel Urwyler dann auch für den Trauergottesdienst, den er am 8. März 1981 in der Kirche Dortmund-Nord durchführte. Die Beisetzung fand einen Tag später auf dem Friedhof in Lüdenscheid ebenfalls durch Stammapostel Urwyler statt.
Das "Walter-Schmidt-Haus"
Seit 2012 besitzt die Neuapostolische Kirche Westdeutschland ein Zentralarchiv.. Es bewahrt Urkunden, Kirchenbücher, Akten und sonstige Archivalien aus der Geschichte der Neuapostolischen Kirche auf.
Namensgeber für das Zentralarchiv ist der vierte Stammapostel der Neuapostolischen Kirche, Walter Schmidt. Eine Vielzahl von Dokumenten aus jener Zeit sind im Zentralarchiv untergebracht. Zudem wird die Lebensleistung von Stammapostel Walter Schmidt in besonderer Weise gewürdigt.
Das Zentralarchiv besitzt auch das frühere Arbeitszimmer von Stammapostel Walter Schmidt, der seinen Dienstsitz in Dortmund, Westfalendamm 88, hatte. Die seinerzeitigen Möbel dienen heutzutage nicht nur als Ausstellungsgegenstände, sondern werden als Arbeitsplatz der Archivleitung und zu Besprechungen genutzt.
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