
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
NRW/Dortmund. „Je länger der letzte besuchte Gottesdienst zurückliegt, desto geringer wird die Bindung zur Kirche empfunden“, lautet ein Ergebnis einer Mitgliederbefragung, die die Neuapostolische Kirche Nordrhein-Westfalen Ende 2012 durchgeführt hat. Dabei wurden mehr als 30.000 neuapostolische Christen angeschrieben, die nicht mehr regelmäßig die Angebote der Kirche wahrnehmen. Ein Ziel der Kirchenleitung war unter anderem, Ansatzpunkte für innerkirchlichen Änderungsbedarf zu gewinnen.
Mehr als 1.400 ausgefüllte Fragebögen haben zum Jahresende die Kirchenverwaltung in Dortmund online oder auf dem Postweg erreicht. Bei rund 28 Prozent der Befragten lag der letzte Gottesdienstbesuch in der Neuapostolischen Kirche weniger als ein Jahr zurück, bei 32 Prozent sind seitdem zwischen ein und fünf Jahren vergangen, bei 16 Prozent zwischen fünf und zehn Jahren sowie bei 19 Prozent mehr als zehn Jahre.
Positive Bewertung vieler Angebote
Im Fragebogen sollten die neuapostolischen Christen auch die persönlichen Erfahrungen mit den Angeboten der Kirche bewerten. Die Skalenwerte reichten von 1 (sehr negativ) bis 7 (sehr positiv). Dabei schnitten die kirchlichen Handlungen, Seniorenangebote, Musik und Krankenbetreuung im Mittelwert mit 5,7 beziehungsweise 5,6 von 7 Punkten positiv ab. Auffallend negativ wird mit 4 von 7 Punkten die Wahrnehmung der Kirche in der Öffentlichkeit bewertet.
Durchschnittlich kritischer bewerten die Befragten auch die begleitende Seelsorge (4,8) und Inhalt und Stil der Predigten (4,9). Hier seien, so das Fazit der Projektgruppe Mitgliederbefragung, Defizite bei der seelsorgerischen Betreuung zu erkennen.
Viele informieren sich im Internet
Dabei ist auffällig, dass sich etwa 70 Prozent der Befragten noch mit der Kirche verbunden fühlen. Viele sind über Änderungen wie dem neuen Gesangbuch oder der erweiterten Liturgie informiert. Mehr als die Hälfte der Befragten informiert sich aktiv über Entwicklungen in ihrer Kirche, dazu nutzen viele Gespräche mit Mitgliedern (60 Prozent) oder die Internetseiten der Kirche.
Gefragt hat die Kirche auch nach den Erfahrungen in der Gemeinde. Etwa 50 Prozent der Befragten bezweifeln die Aufrichtigkeit der Gemeindemitglieder. Ebenfalls kritisch werden Interesse, Verständnis und Offenheit bewertet. Der Befund deutet auf persönliche Enttäuschungen bei der Konfliktbearbeitung und Kommunikationsschwächen hin.
Weitere Fortbildungsangebote
Etwa 60 Prozent sehen keine ausreichende Toleranz anderer Meinungen. Dieses Verhalten wird mit 4 von 7 Punkten kritisch gesehen. Hier erkennt die Projektgruppe Verbesserungsbedarf in der Kommunikation der Seelsorger, aber auch der Gemeindemitglieder. Die Projektverantwortlichen sehen daher Bedarf an weiteren Fortbildungsangeboten für Amtsträger im Bereich Kommunikation sowie eine verstärkte Beschäftigung mit der Vision der Kirche in Gemeindestunden.
Positiver werden in der Befragung die Hilfsbereitschaft der Gemeindemitglieder sowie das Verhalten der Seelsorger gegenüber den Mitgliedern gesehen.
Beeinflussbare Rückzugsgründe
Als beeinflussbare Gründe für den Rückzug aus dem Gemeindeleben werden familiäre Gründe (34 Prozent) und das Verhalten leitender Amtsträger (24 Prozent) genannt. „Unter familiären Gründen dürften unter Berücksichtigung kirchlicher Erfahrungen insbesondere Ehescheidungen und Trennungen in der Partnerschaft einen hohen Anteil haben“, bewertet die Projektgruppe Mitgliederbefragung dieses Ergebnis. Eine mögliche Maßnahme könnte hier beispielsweise ein spezielles Konzept zur „Ehe- und Partnerschaftsseelsorge“ sein.
Hauptgrund für den Rückzug aus dem Gemeindeleben ist ein geringeres Interesse am Thema Kirche (36 Prozent). Einige Befragte nennen zudem Lehraussagen (21 Prozent), Differenzen mit Amtsträgern (18 Prozent) und unerfüllte Erwartungen (17 Prozent) als Gründe für ihren Rückzug. Dabei waren Mehrfachnennungen möglich. Nur für 8 Prozent ist die Außendarstellung der Kirche ein Grund.
Individuelle Gottesdienstangebote
Die Mehrheit der Befragten könnte sich vorstellen, wieder einen Gottesdienst zu besuchen. Die größte Gruppe (90 Prozent) bilden dabei die neuapostolischen Christen, die sich auf Grund von familiären Problemen, also beispielsweise Ehescheidungen oder Familienstreitigkeiten, zurückgezogen haben. Unter denen, deren letzter Besuch weniger als fünf Jahre zurückliegt, können sich 80 Prozent der Befragten wieder den Besuch eines Gottesdienstes vorstellen. Hier empfiehlt die Arbeitsgruppe in Einzelfällen individuelle Gottesdienste auf Bezirksebene für diese Zielgruppe, da die Hemmschwellen zur Rückkehr in die Gemeinden teils hoch seien.
Eine Kontaktaufnahme mit der Kirche ist für die meisten im Fall von Trauerfällen denkbar. Knapp die Hälfte könnte sich auch eine Hochzeit in der Kirche vorstellen. Als Gründe für eine Kontaktaufnahme nennen knapp die Hälfte der Befragten auch eine schwere Erkrankung, Taufe oder eine persönliche Notsituation.
Vorstellung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Befragung wurden im April den Bezirksämtern vorgestellt. Am Kirchentag in Dortmund hatte Projektgruppenleiter Bischof Manfred Bruns mit Dr. Wolfgang Kokoska zu einem Workshop eingeladen, in dem die Ergebnisse diskutiert wurden. Gemeinsam wurden dabei Vorschläge zur Reduzierung von Migration sowie zur Rückgewinnung inaktiver Gemeindemitglieder erarbeitet.
Die Ergebnisse der Befragung sowie aus dem Brainstorming beim Workshop am Kirchentag sind inzwischen ausgewertet. Die Überlegungen fließen nun zum einen in die strategischen Planungen der Kirchenleitung ein und gehen zum anderen zur konkreten Umsetzung in die zuständigen Arbeitsgruppen.
„Wir wollen nun aus den bereits bekannten Ideen Maßnahmen entwickeln“, beschreibt Bischof Manfred Bruns das weitere Vorgehen. Dies benötige Zeit und Kraft in den Fachgremien. Daher erscheine es derzeit wenig sinnvoll, weitere Workshops zum Thema anzubieten. „Die Handlungsfelder sind benannt, nun gehen wir die Umsetzung an“, so sein Fazit.
Workshop "Mitgliederbefragung 2012 – Was haben uns die Ergebnisse zu sagen?" am Kirchentag NRW 2013
26. August 2013
Text:
Frank Schuldt
Fotos:
Marcel Korstian