Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Apostel Franz-Wilhelm Otten (53) ist seit 2004 für die Jugend-Seelsorge in der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen verantwortlich. Ihm zur Seite steht das Jugendgremium, besetzt mit älteren Jugendlichen und erfahrenen Jugendseelsorgern. Gemeinsam haben sie das neue Auswahlverfahren für Jugendbeauftragte entwickelt. Im Interview schildert Apostel Otten die Hintergründe des Konzepts und was er sich davon verspricht.
Apostel, Sie engagieren sich nun bereits seit zehn Jahren in der Jugend-Seelsorge. Was fasziniert Sie an der Jugendarbeit?
Die Jugendlichen begeistern mich immer wieder aufs Neue: Sie kommen in die Gottesdienste, sie entscheiden sich für Gott, sie wollen sich in ihrer Kirche einbringen, sie schaffen Freude. Zusammengefasst: Die Jugendlichen sind klasse, für sie lohnt sich alles.
Wieso entscheiden sich Jugendliche heute noch für Gott und die Kirche?
In der Jugendzeit müssen sich junge Menschen finden, sie bilden ihre Persönlichkeit aus, treffen Entscheidungen, die das weitere Leben bestimmen. Dabei hinterfragen sie vieles. In dieser Zeit auch der Unsicherheit bietet der Glaube Sicherheit und Orientierung. Den Glauben müssen sie jedoch selber finden, aber dazu bietet Kirche neben den Gottesdiensten begleitende Angebote: Vom Jugendtag über Jugendstunden, Freizeiten bis hin zum Jugendkonzertchor oder dem Jugend-Sinfonieorchester.
Hat sich die Situation der Jugendlichen verändert – wenn Sie auch einmal an Ihre eigene Jugendzeit denken?
Die Rahmenbedingungen für die Heranwachsenden sind heute deutlich komplexer. Ich nenne einige Beispiele: Das mediale Überangebot erschwert es häufig den Jugendlichen, manches einzuordnen. Sie sind mit Bildern und Eindrücken konfrontiert, die nicht immer und nicht jedem förderlich sind. Hinzu kommen immer mehr zerrüttete Familienverhältnisse und daraus folgt oft eine innere Zerrissenheit und Einsamkeit oder Überforderung.
In der Ausbildung werden an die Jugendlichen heute höchste Anforderungen gestellt. Das beginnt bereits in der Schule: Das Abitur in zwölf Jahren war aus meiner Sicht nicht gut vorbereitet, dadurch empfinden viele Jugendliche schon sehr früh einen hohen Leistungsdruck. Für weitere Freizeitaktivitäten, die auch dazu dienen, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen, bleibt weniger Zeit. Und nach der Schulausbildung bieten sich Berufsmöglichkeiten ohne Ende, aber vielfach gibt es bei der Wahl wenig Hilfestellung durch Eltern oder Schule.
Ein weiterer Punkt sind die Probleme durch die Freizügigkeit im Umgang mit Alkohol und Drogen wie nie zuvor. Dies führt zu psychischen Problemen und mehr und mehr zu sehr frühen Abhängigkeiten. Zum Leistungsdruck kommt in der Schule oft noch ein Gruppenzwang hinzu: Wer sich keine Markenkleidung leisten kann, wird vielfach ausgegrenzt. Wer sich nicht anpasst, und das ist auch wegen der finanziellen Situation in manchen Elternhäusern schwer, sieht sich Mobbing ausgesetzt.
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund der normalen Entwicklung. Es macht viele junge Menschen unsicher, sie gewinnen oft zu wenig Selbstvertrauen. Sie sehnen sich vielfach nach Anerkennung, erhalten aber nur wenig.
Wie kann die Kirche hier unterstützen?
Zunächst einmal bieten die Gemeinden den Jugendlichen Heimat und Gemeinschaft. Ich bin sehr dankbar, dass sich überall Jugendbeauftragte für unsere Jugendlichen engagieren, ihnen seelsorgerische Begleitung anbieten, sie in die Jugendkreise integrieren und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Jugendbeauftragten geben den jungen Menschen Halt in mitunter instabilen Verhältnissen, haben Verständnis, wenn nicht alles auf Anhieb gelingt, helfen ihnen durch Glaubenskämpfe, nehmen jeden Einzelnen wahr und kämpfen für sie. Vielleicht ist vielen Jugendbeauftragten gar nicht bewusst, welch wichtige Aufgabe und Verantwortung sie damit wahrnehmen. Doch ihr Einsatz ist unglaublich wertvoll.
Welche Rolle spielt dabei das neue Konzept zur Beauftragung von Jugendseelsorgern?
Das Jugendgremium, für deren Unterstützung ich sehr dankbar bin, hat in den letzten Jahren viele Gespräche geführt und Anregungen erhalten: beispielsweise von den Bezirks-Jugendbeauftragten, bei Veranstaltungen am Kirchentag oder „Jugend im Dialog“. Daraus haben sich Schwerpunkte herausgebildet, um die wir uns nun kümmern: Wir wollen die Jugendlichen mehr in die Gemeindearbeit einbinden, die Kommunikation verbessern, ältere Jugendliche als eigene Gruppe entdecken und den jungen Christen die Lehre der Kirche auf Basis des Katechismus vermitteln.
Die ganze Jugendarbeit steht und fällt jedoch mit dem Ansprechpartner vor Ort, dem Jugendseelsorger. Vor Ort werden authentische, verständnisvolle und den jungen Menschen zugewandte Jugendbeauftragte gebraucht. Das Auswahlverfahren will hier neue Impulse geben und dazu beitragen, offene Stellen neu zu besetzen.
Wie lief die Beauftragung denn bislang ab?
Wir haben als Jugendgremium die Sorge, dass nicht alle Stellen für Jugendbeauftragte in den Gemeinden optimal besetzt sind. Manche Jugendbeauftragte sind überlastet, haben mehrere Aufgaben in der Gemeinde oder durch ihre persönliche Situation wenig Zeit für die Jugendarbeit.
Gleichzeitig sehen wir ein hohes Potenzial bei unseren weiblichen Kirchenmitgliedern und Nicht-Amtsträgern. Vielleicht sucht mancher Gemeindevorsteher seine Jugendbeauftragten primär im Kreis der Amtsträger. Der eine oder andere Jugendbeauftragte mag nur zugesagt haben, um den Vorsteher nicht zu enttäuschen. Als Risiko beim bisherigen Verfahren sehen wir auch die Frage nach der Kompetenz des Ausgewählten. Viele werden eine solche Anfrage auch ablehnen, weil sie Sorge vor der unbefristeten Beauftragung haben.
Das neue Auswahlverfahren läuft anders?
Es sieht vor, dass offene Stellen für Jugendbeauftragte, Jugendbetreuer und Jugendstunden-Moderatoren ausgeschrieben werden. Interessierte können sich dann beim Vorsteher und Bezirksjugendbeauftragten bewerben. Die Auswahl und Entscheidung obliegen dann – nach einem Gespräch und Prüfung der Kompetenz – dem Gemeindevorsteher, Bezirksältesten und Bezirks-Jugendbeauftragten. Im Anschluss wird der neue Beauftragte der Gemeinde vorgestellt.
Zu einer Stelle gehören auch Angebote. Was erwartet denn den neuen Jugendbeauftragten?
Primär sehen wir durch die enge Zusammenarbeit mit den Jugendlichen eine persönliche Bereicherung für den Betreffenden. So erlebe ich das selbst immer wieder. Dabei profitiere ich auch vom direkten und unverstellten Feedback der jungen Gläubigen. Der Jugendbeauftragte gewinnt Freiräume zur Gestaltung der Jugendarbeit, wird dabei aber auch vom Vorsteher und Bezirksjugendbeauftragten unterstützt. Mit der Aufgabe verbunden ist auch die Teilnahme an allen kirchlichen Jugendveranstaltungen. Und zuletzt haben wir als Jugendgremium neue Angebote zur Fort- und Weiterbildung entwickelt, die in den nächsten Monaten starten.
Was muss der Jugendbeauftragte mitbringen, wenn er sich bewerben möchte?
Zunächst einmal muss er jugendnah sein und Verständnis für die Lebenswelt der 14 bis 30-Jährigen haben, also sollte die eigene Jugendzeit nicht unbedingt Jahrzehnte zurückliegen. Wir setzen voraus, dass er verankert ist in der Lehre Jesu Christi und deren Entfaltung im neuapostolischen Glauben. Das sollte er auch glaubwürdig vermitteln können. Erwartet werden zudem organisatorisches Geschick, kreative Gestaltung zeitgemäßer Jugendarbeit und Präsenz bei allen kirchlichen Jugendveranstaltungen.
Wichtig ist mir bei allen Anforderungen eines: Wir freuen uns über alle Bewerbungen, auch wenn nicht jede Bewerberin oder jeder Bewerber alle Punkte des Anforderungsprofils erfüllt. Das ist einfach wie im wirklichen Leben.
Sie haben schon erwähnt, dass viele Sorgen vor einer unbefristeten Beauftragung haben. Wie lösen Sie das?
In der Ausschreibung der Stelle definieren wir nicht nur den durchschnittlichen wöchentlichen Zeitbedarf, sondern vereinbaren auch einen individuellen Zeitraum für die Beauftragung. Dieser kann in beiderseitigem Einverständnis verlängert werden.
Wie ist denn der Ablauf einer Ausschreibung?
Ist die Stelle eines Jugendbeauftragten in einer Gemeinde oder in einem gemeindeübergreifenden Jugendkreis vakant oder wird ein Moderator für die Jugendstunden gesucht, dann gibt es der Gemeindevorsteher den Gemeindemitgliedern im Anschluss an einen Gottesdienst bekannt, gegebenenfalls im Beisein des Bezirksjugendbeauftragten. Gerade in der Einführungsphase wird dabei auch das neue Konzept vorgestellt. Dies kann auch ein Bezirksamt übernehmen. Im Anschluss wird die Ausschreibung am „schwarzen Brett“ veröffentlicht, ggf. auch in den umliegenden Gemeinden. Je nach Situation wird die Ausschreibung auch im Gottesdienst für Jugendliche im Bezirk bekanntgegeben.
Interessierte können sich dann beim Gemeindevorsteher und Bezirksjugendbeauftragten bewerben. Allerdings sollte jeder, der sich bewirbt, die Größe mitbringen, eine Absage zu akzeptieren. Unter Christen muss es möglich sein, hier ein sensibles, offenes Feedback zu geben und zu akzeptieren. Wer damit nicht klarkommt, der wird auch in der Jugendseelsorge mit dem offenen Feedback der Jugendlichen Probleme haben.
Nach der Entscheidung wird der neue Jugendbeauftragte beziehungsweise Moderator dem gleichen Kreis bekanntgegeben oder vorgestellt. Dabei ist wichtig, dass die Bewerbungen vertraulich behandelt werden. Entscheiden sich die Verantwortlichen gegen einen oder mehrere Kandidaten, wird dies niemand anderes erfahren.
Wo sehen Sie die Vorteile des neuen Verfahrens?
Wir haben nun einen neuen Ansatz: Eine eigene Bewerbung statt der Ansprache. Grundlage für die Bewerbung ist ein klares Profil mit Angeboten und Anforderungen und einer klaren Benennung des Zeitbedarfs. Zudem ist die Beauftragung zeitlich begrenzt. Durch die Einbindung eines Bezirksamts und des Bezirksjugendbeauftragten intensivieren wir auch den Dialog und kommen zu einem sicheren Entscheidungsprozess.
Das neue Konzept gilt ab wann?
Der Bezirksapostel und die Apostel haben das neue Auswahlverfahren genehmigt. Wir haben es vor wenigen Tagen den Bezirksältesten und Bezirksjugendbeauftragten bei einer gemeinsamen Tagung vorgestellt. Es gilt ab sofort und wird nach und nach in den einzelnen Bezirken vorgestellt und umgesetzt und zwar dort, wo es Vakanzen gibt.
Wie kam der Vorschlag an?
Bei der Tagung gab es eine intensive und teils auch kontroverse Diskussion, aber keine grundsätzlich kritischen Aussagen. Darüber habe ich mich gefreut. Gemeinsam haben wir dann in Workshops Vorschläge erarbeitet, wie die Verantwortlichen damit umgehen können, wenn sich beispielsweise mehrere geeignete Bewerber finden. Das hat mir gezeigt, dass die Bezirksältesten und Bezirksjugendbeauftragten dahinterstehen und deshalb mache ich mir auch keine Sorgen über die Umsetzung in den Bezirken.
Mancher wird sich fragen, ob nun künftig auch offene Stellen als Vorsteher oder Amtsträger ausgeschrieben werden.
Wir unterscheiden ganz klar zwischen der Ordination eines Amtsträgers und der Beauftragung für einen bestimmten Aufgabenbereich. Die Einsetzung ins geistliche Amt wird vom Apostel bei der Ordination im Namen des dreieinigen Gottes durch Handauflegung und Gebet vollzogen. Die Ausersehung zum Amt liegt dabei grundsätzlich nicht im menschlichen, sondern im göttlichen Willen begründet, so sagt es auch unser Katechismus. Es ist Aufgabe des Apostolats, den göttlichen Willen zu erkennen und demgemäß zu handeln.
Das neue Konzept gilt zudem nur für den Jugendbereich – und hier auch nur für neu zu besetzende oder offene Stellen. Für bereits bestehende Beauftragungen im Jugendbereich ändert sich nichts.
Betonen möchte ich dabei, dass auch bei Beauftragungen das Gebet eine unverzichtbare Voraussetzung ist und den Prozess der Entscheidungsfindung im Bewerbungsverfahren begleiten muss.
Das neue Auswahlverfahren soll neue Impulse bringen und die Betreuung vor Ort auf eine breitere Basis stellen. Wie halten Sie nach, ob das funktioniert?
Da mache ich mir gar keine Sorgen: Aus den Bezirken erreichen das Jugendgremium jede Menge Rückmeldungen: von Jugendlichen, den Betreuern und auch den Vorstehern. Wir haben die Bezirksjugendbeauftragten zudem aufgefordert, uns über ihre Erfahrungen zu berichten. Wir werden das nachhalten und untersuchen. Zudem wollen wir das Treffen der Bezirksältesten mit den Bezirksjugendbeauftragten wiederholen, unter anderem auch, um den Erfolg bewerten zu können.
Apostel Otten, vielen Dank für das Gespräch.
22. Juni 2015
Text:
Frank Schuldt
Fotos:
Archiv
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