
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Dortmund. Am 23. Februar 2014 tritt Bezirksapostel Armin Brinkmann nach neun Jahren als Kirchenpräsident der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen in den Ruhestand. Apostel Rainer Storck wird die Leitung der Gebietskirchen Nordrhein-Westfalen und Niederlande übernehmen. Im Gespräch vor dem Wechsel in der Kirchenleitung berichten beide von den vergangen Monaten, in denen die Übergabe vorbereitet wurde.
Bezirksapostel Brinkmann, seit der Beauftragung von Apostel Storck zum Bezirksapostelhelfer waren Sie viel gemeinsam auf Reisen. Wie ist der Eindruck von Ihrem designierten Nachfolger?
Bezirksapostel Brinkmann: Ich darf das ganz offen sagen: Aus der brüderlichen Gemeinschaft ist eine Freundschaft erwachsen. Insofern trete ich auch sehr gelassen in den Ruhestand, weil ich weiß, dass die Leitung der Kirche hier in Nordrhein-Westfalen und den anvertrauten Gebietskirchen in gute Hände kommt.
Apostel Storck, Sie haben in den vergangenen Monaten Einblicke in die Arbeit des Bezirksapostels erhalten. Was hat Sie überrascht, und auf welche Aufgaben freuen Sie sich besonders?
Apostel Storck: Ich behaupte mal, dass ich seit einigen Jahren relativ nah dran bin an meinem Bezirksapostel. Aber im letzten Jahr habe ich viele Dinge kennengelernt, von denen er so nicht berichtet hat, die man auch gar nicht berichten kann, weil man sie gesehen haben muss, um sie zu verstehen. Besonders in den betreuten Gebietskirchen im Ausland haben mich viele Dinge überrascht. Beeindruckt hat mich beispielsweise, wie toll die Gemeinden und Seelsorger dort aufgestellt sind, welche Euphorie und Begeisterung in vielen Gemeinden herrscht.
Bezirksapostel Brinkmann, die Arbeit als Bezirksapostel einer Gebietskirche umfasst viele Aufgabenbereiche. Wie haben Sie persönlich diese Bereiche in Ihrer täglichen Arbeit priorisiert?
Bezirksapostel Brinkmann: Priorität hat immer die Seelsorge. Wenn seelsorgerische Probleme auftreten, wenn Trauernde oder Kranke zu trösten sind, dann hat das für mich immer die oberste Priorität. Weiter denke ich an die 20 Gebietskirchen die wir betreuen. Das sind 20 Gebiete völlig unterschiedlicher Kulturen in sehr unterschiedlichen Kontinenten mit unterschiedlichen Sprachen. Da den Seelsorgern vor Ort nahe zu sein, ist die zweite wesentliche Priorität. Das Dritte, was ebenfalls sehr wichtig ist, ist die Leitung der Kirche, also auch der administrative Teil. Aber dafür haben wir hier auch eine sehr gut funktionierende Verwaltung mit kompetenten und gut qualifizierten Angestellten. Insofern hat mich dieser Bereich zeitlich am wenigsten beschäftigt.
Sie sind nun bereits mehr als 30 Jahre im Apostelamt tätig und haben in der Zeit drei Bezirksapostel unterstützt. Wie würden Sie die Entwicklung kennzeichnen, die die Kirche in der Zeit der Bezirksapostel Engelauf, Ehlebracht und Leber genommen hat?
Bezirksapostel Brinkmann: Als eine Entwicklung einer sehr in sich geschlossenen Kirche hin zu einer offenen Gemeinschaft gläubiger Christen. Heute wird wesentlich einfacher und offener miteinander kommuniziert, es existieren flachere Hierarchien. Wenn früher die Bezirksapostel mehr oder weniger allein entschieden und die Kirche - mit Hilfestellung der Apostel und Bischöfe - in weiten Teilen allein leiteten, dann ist das heute wirklich eine gemeinsame Leitung. Diesen Prozess hat bereits unser damaliger Bezirksapostel Leber angestoßen.
Wie hat sich die Neuapostolische Kirche in Nordrhein-Westfalen seit Ihrem Amtsantritt entwickelt?
Bezirksapostel Brinkmann: Wir sind in den letzten Jahren stark zusammengewachsen. Wir haben heute einen ständigen Austausch, insbesondere im Kreis der Apostel. Wir beraten über alle Themen, seien sie seelsorgerischer, administrativer oder investiver Art. Das tun wir ebenso in den ausländischen Gebieten. Wir haben die Bischöfe intensiver mit einbezogen, die ja in Nordrhein-Westfalen noch eine Sonderrolle dadurch haben, dass sie überwiegend berufstätig sind und ihren Auftrag ehrenamtlich ausführen.
Zudem war es mir von Beginn an ein Anliegen, die interne und externe Kommunikation zu stärken. Wir haben uns zudem sehr um seelsorgerische Sondergruppen gekümmert. Als weiteren Punkt haben wir die Kirche wirtschaftlich ein wenig mehr aufgepeppt, um durch die Gründung der NAK Service AG Vorgänge zu vereinfachen und Kosten zu reduzieren. Und durch das Unternehmerforum und das Sozial- und Bildungswerk haben wir versucht, die Kirche noch stärker zu verankern.
In Ihrer Amtszeit haben Sie vieles erlebt. Bitte berichten Sie von einem Erlebnis, über das Sie sich richtig gefreut haben.
Bezirksapostel Brinkmann: Ach, da gibt es viele. Die Gemeinschaft mit dem Stammapostel, die Gemeinschaft im Kreis der Bezirksapostel, das sind immer hocherfreuliche Angelegenheiten. Es gibt großartige Gottesdienste. Und es freut mich sehr, wenn ein seelsorgerisches Problem positiv gelöst werden kann, wenn ich sehe, dass ein Ratschlag akzeptiert wird und man dann erlebt, dass darauf göttlicher Segen liegt. Ich habe neben den wenigen schlimmen Ereignissen sehr, sehr viel Erfreuliches erlebt, was mich dann immer wieder neu motiviert hat, mit ganzer Kraft weiterzumachen.
Ruheständler werden oft nach ihren Memoiren gefragt. Wann schreiben Sie Ihr Buch?
Bezirksapostel Brinkmann: Wahrscheinlich mit 95 Jahren (lacht).
Die Gebietskirche Nordrhein-Westfalen wurde vor einigen Jahren Opfer von Betrügern. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, damit sich so etwas nicht wiederholen kann?
Bezirksapostel Brinkmann: Das war natürlich eine sehr schwierige Zeit für die Kirche und auch für mich persönlich. Schließlich hatte ich die Entscheidung letztendlich zu verantworten, auch wenn sie gemeinsam in einer kleinen Gruppe getroffen wurde. Wir haben sicherlich in den Entscheidungsgremien sehr viel Sensibilität hinzugewonnen. Zudem haben wir strukturelle Änderungen vorgenommen: Eine Geschäftsordnung für den Landesvorstand regelt Einzelfälle, in denen die Verfassung der Kirche nicht so eindeutig ist, wie es wünschenswert wäre. Zudem haben wir heute ein Anlagegremium, welches den Landesvorstand berät und klare Hinweise gibt.
Unser Vermögen wird durch externe und interne Mitarbeiter sehr professionell verwaltet, was sich bislang sehr positiv ausgewirkt hat. Trotz des Verlustes durch den Betrug haben wir über die letzten Jahre erfreulich positive Erträge erwirtschaften können, die weit über die verlorene Summe hinausgehen.
Wie groß schätzen Sie den immateriellen Schaden ein, der durch den Betrug entstanden ist?
Bezirksapostel Brinkmann: Dazu kann ich schlecht etwas sagen. Zweifellos ist der innerhalb der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen vorhanden, sicher auch außerhalb. Eines war jedoch interessant: Nachdem nach und nach klar war, dass wir Opfer von Betrügern geworden waren, stellte sich die Frage nach Schuld und Täterschaft innerhalb der Kirche nicht mehr. Nach der Verurteilung der Täter zu sehr hohen Haftstrafen ist nach meinem Eindruck die innere Diskussion zum Stillstand gekommen.
Wir haben zudem alle Anfragen zu diesem Thema offen beantwortet, soweit dies für uns als Kirche möglich war. Auch wurde der Landesvorstand ganz offen informiert, die Mitglieder haben viele Fragen gestellt. Auch außerhalb der Kirche gibt es natürlich konstruktiv kritische Fragen, die wir sehr ernst nehmen und die beantwortet werden.
Wie haben Sie persönlich die Zeit erlebt, in der es, gerade im Internet Kritik an Ihrer Person gab?
Bezirksapostel Brinkmann: Ich habe viele Briefe und E-Mails erhalten. Diejenigen, die ich direkt erhalten habe, waren eher verständnisvoll, aufbauend und motivierend. Manche anonyme Schreiber, auch in den Internet-Foren, haben sich teils persönlich beleidigend und herabwürdigend geäußert. Damit muss man leben, durch eine solche Zeit geht man durch. Es ging um die Sache, die aufgearbeitet werden musste, und das haben wir gemeinsam im Landesvorstand und mit den Verantwortlichen getan.
Apostel Storck, durch den Kapitalanlagebetrug 2007 ist hier und da vielleicht Vertrauen in die Kirchenleitung verloren gegangen. Was werden Sie als künftiger Bezirksapostel tun, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen oder neu zu schaffen?
Apostel Storck: Zunächst einmal möchte ich festhalten, für den Landesvorstand und auch für unsere Gebietskirche, dass wir mit der Information über den Anlagebetrug sehr offensiv umgegangen sind. Wir haben ihn ausführlich aufgearbeitet. Neben den Dingen, die zuvor bereits erwähnt worden sind, darunter die Installation eines Anlagegremiums, das den Landesvorstand berät, haben wir eine renommierte Unternehmensberatung eingeschaltet, um die Vorgänge zu prüfen, Schwachstellen zu erkennen und eine Wiederholung nach Möglichkeit für die Zukunft auszuschließen. Ich sage bewusst „nach Möglichkeit“; aber nach jetzigem Wissen sollten solche Dinge künftig ausgeschlossen sein, obschon man niemals sagen kann, „es kann nie mehr etwas passieren“.
Von daher ist die Sache für mich rund. Wir haben Grundlagen gelegt, dass es weitergehen kann, dass das Vermögen der Kirche und die Opfergelder der Kirche weiter sauber und ordentlich verwaltet werden können. Wo dann Vertrauen verloren gegangen ist, müssen wir nach der Aufarbeitung auch ein wenig Geduld haben, um es wiederzugewinnen. Wir brauchen dann ein wenig Zeit.
Wäre die Trennung von administrativer Tätigkeit und Seelsorge ein Lösungsansatz?
Apostel Storck: Das ist ein Thema, das seit Jahrzehnten diskutiert wird. Ich glaube nicht, dass dies schnell möglich ist. Sicherlich, hier in Nordrhein-Westfalen sollte der Schwerpunkt des Bezirksapostels immer noch auf der Seelsorge liegen. Wir haben hier in unserer Verwaltung extern beratende Gremien, die unterstützen, damit diese administrative Aufgabe nicht zu groß wird und nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber dass man das ganz trennen kann, glaube ich nicht. Man muss auch, wenn man seelsorgerische Entscheidungen trifft, die Administration und die Hintergründe im Fokus haben, sonst geht es nicht. Es wird also immer eine gewisse Kooperation geben müssen in diesen Dingen.
Noch schwieriger sehe ich das in den betreuten Gebietskirchen im Ausland, wo in der Regel der betreuende Bezirksapostel unterwegs ist und sonst kein anderer aus dem Landesvorstand. Dort existieren eigene Landesvorstände und es ist nicht möglich, einfach nur hinzugehen und Gottesdienste sowie Ämterversammlungen zu halten und dann wieder nach Hause zu fahren. Da müssen Kirchen gebaut und Verwaltungen eingerichtet werden. Von daher kann man sicherlich versuchen, das so weit wie möglich zu entzerren; aber eine komplette Lösung oder Trennung halte ich in der nächsten Zeit für ausgeschlossen.
Wie beschreiben Sie Ihr Programm, was werden besondere Akzente ihrer Tätigkeit als Bezirksapostel sein?
Apostel Storck: Ein Schwerpunkt wird darin liegen, weiterhin eng mit den Aposteln und Bischöfen zusammenzuarbeiten, gemeinsam zu Lösungen zu kommen. Nicht zuletzt ein Schwerpunkt sollte sein, das habe ich mir fest vorgenommen, selbst noch stärker nach dem Evangelium Jesu Christi zu leben und so zu versuchen, ein Vorbild zu sein. Es gilt also, nicht nur zu predigen, sondern selbst auch das zu tun, was man predigt.
Eine weitere Herausforderung ist der demografische Wandel: Wir werden Mitglieder verlieren, das Opfer- und Spendenaufkommen sinkt. Diesem Thema müssen wir uns widmen. Wir haben dazu eine Arbeitsgruppe „Kirchenstrategie 2030“ eingerichtet. Dabei wissen wir schon heute: Wir werden mit den weniger werdenden Mitteln auskommen müssen. Für unsere betreuten Gebietskirchen wünsche ich mir, dass irgendwann einmal alle Gottesdienstteilnehmer ein Dach über dem Kopf haben. Deshalb hat ein ausgeglichener Haushalt Priorität, um auch für die nachfolgenden Generationen eine Kirche der Zukunft zu sein.
Das Interview führte Oliver Rütten. Die Langfassung des Gesprächs ist als Video auf nacworld abrufbar, dem sozialen Netzwerk der Neuapostolischen Kirche. Der zweite Teil des Interviews erscheint in den kommenden Tagen.
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