
Neuapostolische Kirche
Westdeutschland
Westdeutschland/Iserlohn. Iserlohn ist ein traditionsreicher Ort für die Neuapostolische Kirche. Bekannt ist vor allem die ehemalige Gemeinde Iserlohn-Mitte in der Brüderstraße. Bis zur Profanierung 2021 waren hier alle Stammapostel zu Gast. Ein Rückblick.
Die erste neuapostolische Gemeinde in Iserlohn wurde 1886 von Evangelist Heinrich Bornemann gegründet. Der damals 28-Jährige war von Hermann Niehaus ins Sauerland gesandt worden, um die bis dahin unbekannte Kirche dort bekannt zu machen. Damals lebten in Iserlohn bereits neuapostolische Christen, die über Bekannte in der Gemeinde Duisburg-Ruhrort aufgenommen worden waren. Die ersten Gottesdienste in Iserlohn fanden dann in der Wohnung der neuapostolischen Familie statt.
Widerstand gegen die neue Gemeinde
Mit dem Umzug von Heinrich Bornemann von Hagen nach Iserlohn fanden die Gottesdienste dann in seiner Wohnung statt. In der Folgezeit wuchs die Zahl der Gottesdienstbesucher und Zuhörer stetig an. Das blieb in der Öffentlichkeit nicht verborgen: Es wurde dazu aufgerufen, die Versammlungen zu stören, gemeinsames Singen oder auch Gottesdienste zu untersagen. Einmal ging durch einen Steinwurf eine Fensterscheibe des Versammlungsorts zu Bruch.
Wie groß der öffentliche Druck in den ersten Jahren auf die Gemeinde war, zeigt ein Ereignis: Als der spätere Amtsträger (Hirte) Dietrich Sülberg der jungen Gemeinde beitrat, erschien im Iserlohner Kreisanzeiger die Anzeige „Dietrich es bi de Frommen gohn!“ „Auch wenn dies heute unter dem Eindruck von Social-Media-Kampagnen eher lächelnd zur Kenntnis genommen wird – intolerantes Verhalten war auch damals gesellschaftlich vorhanden“, schreibt der Iserlohner Bezirksälteste Thomas Fröhlich in einem Rückblick auf die Entwicklung des Bezirks. Doch trotz dieses äußeren Drucks wuchs die Gemeinde weiter und die Mitglieder unterstützen sich in der teils großen wirtschaftlichen Not der damaligen Zeiten gegenseitig.
Apostelstraße oder Brüderstraße?
In den Folgejahren erwarb die junge Gemeinde von der Stadt ein Haus mit Werkstatt als neue Versammlungsstätte. Aber auch dieser Gottesdienstort wurde schnell zu klein. Im Jahr 1897, 13 Jahre nach Gründung der Gemeinde, erwarb der Vorsteher der Gemeinde ein Grundstück und erbaute dort ein Wohnhaus sowie ein Kirchenlokal.
Ein Stadtbeamter schlug für die bisher unbebaute Straße den Namen „Apostelstraße“ vor. Evangelist Bornemann entschied sich aber für den Namen „Brüderstraße“.
Aus Iserlohn in alle Welt
1898 wurde die Kirche durch Stammapostel Friedrich Krebs im Beisein von Bezirksapostel Niehaus eingeweiht. Vorsteher Bornemann, inzwischen zum Bischof ordiniert, war als enger Mitarbeiter der Kirchenleitung aktiv. In dieser Aufgabe war er an der Herausgabe der neuapostolischen Zeitschriften „Der Herold“ (von 1895 bis 1907 als verantwortlicher Redakteur) und „Wächterstimme aus Ephraim“ beteiligt. Der Druck erfolgte in Iserlohn und viele der dortigen jungen Gemeindemitglieder halfen beim Verpacken und dem Versand der beiden Zeitschriften in alle Welt.
Im Jahr 1902 wurde Heinrich Bornemann in Bielefeld zum Apostel ordiniert. In der Folge begleitete er Stammapostel Niehaus auf viele Reisen. Der Apostel war auf einer Reise, als zu Hause ein Feuer das Kirchenlokal und Teile seiner Wohnung verwüstete. Dankbar, dass die Familie nicht zu Schaden gekommen war, wurde der Wiederaufbau in Angriff genommen. Nach einigen Monaten, ausquartiert in einer stillgelegten Fabrik in der Nähe, wurden noch 1912 wieder die Gottesdienste in den eigenen Räumen durchgeführt.
Im Jahre 1914 erkrankte Apostel Bornemann und verstarb am 7. Mai im Alter von 56 Jahren. Die Beerdigung am 11. Mai wurde in Iserlohn zu einem großen Ereignis, über das ausführlich in den Zeitungen berichtet wurde. In den Artikeln wurde der Apostel als Mensch der Liebe und des Friedens gewürdigt. Über Tausend Menschen nahmen an der Beerdigung teil.
Kirche ist etabliert
In der Zeit von 1883 bis 1914 hatte sich die Zahl der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen von den ursprünglich zwei Gemeinden (Bielefeld und Duisburg Ruhrort) auf 90 Gemeinden im Arbeitsbereich von Apostel Bornemann vergrößert. Die Gemeinde Iserlohn zählte über 300 Mitglieder. In der näheren Umgebung wurden in Hohenlimburg, Altena, Nachrodt, Neuenrade und Stephanopel Gottesdienste für die dortigen Gemeindemitglieder gehalten. Die anfänglich eher kritisch aufgenommene neue Kirche hatte sich inzwischen fest etabliert.
Die Weltkriege erschwerten die Arbeit in der Gemeinde. Viele männliche Gemeindemitglieder waren als Soldaten einberufen worden. 1935 wurde das Gebäude in der Brüderstraße durch einen Anbau erweitert. Als die Zahl der Mitglieder auf über 800 stieg, beschloss die Kirchenleitung, anstelle des bisherigen Gebäudes eine neue große Kirche zu errichten. Nach zwei Jahren Bauzeit weihte Stammapostel Walter Schmidt die neue Kirche am 23. November 1963.
Aufgabe des Standorts Brüderstraße
In den folgenden Jahren wurden weitere neuapostolische Gemeinden in dem Stadtgebiet Iserlohn gegründet. Die große Kirche in der Brüderstraße diente nun nur der Stadtkern-Gemeinde Iserlohn als Versammlungsstätte. Zudem fanden hier in den folgenden Jahren immer wieder größere Gottesdienste mit eingeladenen Gemeinden aus der Region statt.
Die „Stadtflucht“ sowie Veränderungen in der Gemeinde- und Bezirksstruktur in den folgenden Jahren führten jedoch dazu, dass das Kirchengebäude mit seinen über 650 Sitzplätzen für die regulären Gottesdienste überdimensioniert war. Steigende Unterhaltungskosten, die schwierige Gebäudesubstanz sowie unabdingbare größere Sanierungs-Investitionen führten zur Entscheidung, künftig für die Gottesdienste den barrierefreien Standort „Am Nußberg“ zu nutzen.
Am 31. Januar 2021 wurde das Kirchengebäude in der Brüderstraße nach 57 Jahren Nutzung als Kirche profaniert. „Auch wenn damit über 123 Jahre Gottesdienste in der Brüderstraße zu Ende gehen, so bleiben mit dem Ort viele Erinnerungen verknüpft“, schreibt Bezirksältester Fröhlich im Rückblick.
Fünf Apostel aus Iserlohn
Über die Jahre hatten fünf spätere Apostel ihre Heimat in Iserlohn beziehungsweise lernten dort die Neuapostolische Kirche kennen. Neben Apostel Ernst Heinrich Bornemann waren dies Friedrich Eduard Mierau (*1869 in Ostpreußen, 1901 in Hamburg zum Apostel für die USA ordiniert), Karl Hartmann (*1876 in Wuppertal-Barmen, ab 1922 Apostel für Baden/Pfalz), Hermann Dietrich Magney (*1875 in Dröschede, ab 1923 Apostel und 1930 Bezirksapostel für Westfalen, starb 1943 beim Luftangriff auf Dortmund) sowie Jakob Dietz (*1871 bei Wetzlar, ab 1926 Apostel für Australien und Neuseeland).
17. September 2022
Text:
Thomas Fröhlich,
Frank Schuldt
Fotos:
Bildarchiv,
Frank Schuldt
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